Brasiliens wachsender Müllberg
Beim Pro-Kopf-Aufkommen ist Rio heute schon Weltklasse, beim Recycling nicht
Die Stadt mit dem größten Müllaufkommen je Einwohner heißt Rio de Janeiro. Jeder Einwohner der laut Tourismuswerbung wunderbarsten Stadt der Welt produziert pro Jahr 679 Kilogramm Abfall, fast doppelt soviel wie der Durchschnittsbrasilianer. Deutlich »umweltfreundlicher« als die Cariocas sind laut Müllstatistik die Paulistas. In São Paulo werfen die Einwohner »lediglich« 445 Kilogramm Abfall pro Jahr weg.
Laut ABRELPE würden im brasilianischen Durchschnitt nur 57,6 Prozent des gesammelten Abfalls »ordnungsgemäß« entsorgt, dass heißt recycelt oder auf offiziell registrierten Müllkippen, so genannte Aterros Sanitários, gebracht. Aber auch diese seien nur in den wenigsten Fällen tatsächlich gegen Boden- oder Gewässerverseuchung abgesicherte Mülldeponien. Schlimmer noch: Die Untersuchung spiegelte nur einen Teil der tatsächlichen Abfallrealität Brasiliens wieder und berücksichtige nur offizielle Zahlen und nicht illegale Müllhalden oder irreguläre Abfallentsorgung, so ABRELPE-Direktor Carlos Silva Filho.
Die offiziellen Müllunternehmen der Gemeinden im Soja-Staat Mato Grosso zum Beispiel sammelten lediglich 20 Prozent des anfallenden städtischen Mülls ein. Und lediglich 24,5 Prozent davon landeten korrekt auf einem Aterro Sanitário. Der Rest verschwinde in der Landschaft oder werde in Flüsse und Seen verkippt.
Die jüngsten heftigen Regenfälle in Südostbrasilien brachten – wie jedes Jahr – ein weiteres Müllproblem Rio de Janeiros an den Tag: Straßen voller Abfall, die zu rasch ansteigenden Flüssen werden, da der Müll die Gullis verstopft. In der Nacht vom 25. auf den 26. April waren die Stadtteile Grande Tijuca, Andaraí, Lins, Grajaú, Rio Comprido und Alto da Boa Vista am stärksten betroffen. In Tijuca, dem Stadtteil nahe des Maracanã-Stadions, stiegen die Fluten zeitweise auf fast zwei Meter an. Eine Person ertrank. Weitere Folge der Wassermassen: Noch mehr Müll in den Straßen. Denn zahlreiche Hausbesitzer warfen ihre durch das Hochwasser zerstörte Wohnungseinrichtung schlicht auf die Straße.
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