»Die Daten sind bei uns sicher«

Sabine Bechtold, Projektleiterin beim Statistischen Bundesamt, hält Sorgen für unbegründet

  • Lesedauer: 4 Min.
Heute ist der Stichtag für die größte amtliche Datensammelaktion in der Geschichte der Bundesrepublik – den Zensus. Das meiste läuft über bereits vorhandene Daten, direkt befragt werden in den nächsten Wochen 7,9 Millionen zufällig ausgewählte Menschen. Sie müssen 46 Fragen zu ihrem Bildungsstand und ihrer Lebens- und Erwerbssituation beantworten. Die Auskunft ist Pflicht.

ND: Der 9. Mai ist der Stichtag für den Zensus 2011. Was passiert heute genau?
Bechtold: Stichtag 9. Mai heißt: Alle Angaben, die aus Registern und in direkten Befragungen erhoben werden, beziehen sich auf den heutigen Tag. Die Befragungen werden voraussichtlich bis Ende Juni, spätestens Anfang Juli stattfinden. Die Zeitspanne ist deshalb so lang, weil es Personen geben wird, die verreist sind oder die das nicht so ernst nehmen und ermahnt werden müssen. Im Extremfall kann es bis zum Herbst dauern, bis wir alle Daten beisammen haben.

Was passiert mit den Fragebögen und Datensätzen dann genau?
Wir bekommen von allen Melderegistern Angaben, die bei uns zu einer gesamtdeutschen Datei zusammengeführt werden. Wir überprüfen, dass jeder nur einmal mit einem Hauptwohnsitz im Register ist, damit wir niemanden doppelt zählen. Das Ganze wird dann mit den Informationen aus der Haushaltebefragung zusammengespielt. Alle Gebäude- und Wohnungseigentümer erhalten einen Fragebogen, damit man beispielsweise auch Auswertungen über den vorhandenen Wohnraum pro Haushalt machen kann. Wenn diese Zusammenführungen erfolgt sind, werden die sogenannten Hilfsmerkmale, also Namen oder Anschrift gelöscht.

Wie lange werden sie gespeichert sein?
Wir dürfen die Hilfsmerkmale maximal vier Jahre speichern. Diese Merkmale benötigen wir ausschließlich dazu, um unsere Datenerhebungs- und -verarbeitungsprozesse zu organisieren. Wir gehen davon aus, dass wir in zwei Jahren die Arbeit abgeschlossen haben.

Wie wollen Sie Datendiebstahl ausschließen?
Die Daten befinden sich in einem abgeschotteten Bereich im Statistischen Bundesamt. Er ist baulich besonders gesichert und hat keinerlei Verbindung zum Internet. Nur ganz wenige Mitarbeiter haben Zugang. Und all diese Maßnahmen werden vom Bundesdatenschutzbeaufragten überwacht.

Das Hauptziel soll die Feststellung der Einwohnerzahl sein. Warum wird dann nach Schulabschluss, Arbeitsstätte, Religion, Glauben gefragt?
Für einen Zensus lohnt sich der Aufwand nicht, nur die Anzahl der Köpfe zu zählen. Man braucht etwa alle zehn Jahre eine Neujustierung einiger Basisangaben der Bevölkerung. Wir halten uns hier maßgeblich an die Vorgaben der EU.

Wären Einzelerhebungen aus Datenschutzsicht nicht sicherer als eine Rundumerfassung?
Gute Statistiken mit Stichproben basieren auf einem guten Zensus als Basis – wir brauchen die aktuelle amtliche Einwohnerzahl und einige Strukturmerkmale zur Bevölkerung. Ohne valide Daten zur Hochrechnung wären alle Stichproben verzerrt.

Datenschützer halten die Frage nach Religionszugehörigkeit und Glaubensbekenntnis trotzdem für problematisch.
Der Gesetzentwurf des Innenministeriums sah das auch nicht vor. In den Lesungen im Bundestag und Bundesrat haben die Parlamentarier aber entschieden, diese Merkmale abzufragen.

Muslime, zum Beispiel, machen sich Sorgen, dass diese Angaben irgendwann gegen sie verwendet werden könnten. Können Sie das ausschließen?
Diese Frage wird nur bei der Zehn-Prozent-Stichprobe erhoben. Ein Register aller Muslime – wie von einigen befürchtet – könnte also gar nicht erstellt werden. Aber es gilt ohnehin: Es wird nichts in irgendeine Verwaltung zurückgespielt – dies ist im Bundesstatistikgesetz festgeschrieben. Die Daten der Statistik werden hinterher nicht für andere Zwecke verwendet. Das ist absolut nicht vorstellbar.

Die Zensus-Gegner haben also überhaupt keinen Grund für ihre Kritik?
Ich verstehe, dass einige Bürger sich sorgen und an Datenskandale denken. Aber es gab noch nie einen bei der amtlichen Statistik. Ich kann nur versichern, dass die Daten bei uns sicher sind – aber Sie müssen auch nicht nur mir glauben. Alle, die sich sorgen, dass doch etwas schief geht, haben ihren Anwalt in den Datenschutzbeauftragten, die uns sehr genau auf die Finger schauen.

Von denen sagen aber auch einige, der Zensus sei zu teuer und aufwändig bei einem zweifelhaften Nutzen.
Unsere Bevölkerungszahlen sind nicht mehr akkurat. Wir wollen alle, dass unsere Politik sachgerechte Entscheidungen fällt. Dann müssen wir auch bereit sein, unseren Beitrag dazu zu leisten.

Jeder Blick in überfüllte Hörsäle zeigt, dass es offenbar keine Frage korrekter Zahlen, sondern eine des mangelnden politischen Willens ist.
Gute Daten sind natürlich kein Garant für gute politische Entscheidungen. Aber ohne Informationen über die Ausgangslage kann es keine guten Entscheidungen geben.

Viele Menschen wissen bis heute gar nicht, dass ein Zensus stattfindet. Nehmen Sie das auf Ihre Kappe?
Wir haben uns sehr um Information der Öffentlichkeit bemüht – wir haben zahlreiche Pressekonferenzen und Hintergrundgespräche für Pressevertreter angeboten, Millionen Faltblätter verteilt, eine Internetseite bereit gestellt, Telefon-Hotlines für Bürger eingerichtet. Möglicherweise ist der Zensus aber ein Thema, das nicht mehr so kritisch wahrgenommen wird und deshalb nicht mehr so ins Bewusstsein dringt. Man kann die Situation nicht mit 1987 vergleichen. Damals gab es den entwickelten Datenschutz von heute noch nicht. Wir haben dasselbe Interesse an hohen Datenschutzstandards wie diejenigen, die uns ihre Daten geben. Denn: Hätte die Bevölkerung Sorge, dass wir ihre Daten nicht sorgsam behandeln, würde sie uns nicht richtig Auskunft geben. Das würde die Qualität unserer Ergebnisse beeinträchtigen.

Fragen: Ines Wallrodt

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