Eine Menge Probleme, keine Alternative

Rot-Grün hat in Bremen Zukunft

  • Lesedauer: 4 Min.
Bremen gibt jährlich vier Milliarden Euro aus, nimmt aber nur etwas mehr als drei Milliarden ein. Die Zinsausgaben sind höher als die Sozialausgaben.

Die Fußstapfen seines Vorgängers Henning Scherf füllte er noch nicht ganz aus. Dies zu schaffen, hatte sich Jens Böhrnsen (SPD) vorgenommen – stressfrei und gelassen wollte der Bremer Bürgermeister dabei zur Sache gehen. Hilfe holte er sich bei den Grünen.

Beide Seiten sehen in der jeweils anderen auch nach vier Jahren gemeinsamen Regierens im Senat den idealen Partner. Kein Wunder, denn eine wirkliche Alternative gibt es am Ende der ersten Regierungszeit von Rot-Grün in Bremen nicht. Die CDU zerfleischte sich im vergangenen Jahr bei der Aufstellung ihrer Kandidaten selbst, die FDP-Abgeordneten schlugen ebenfalls kräftig aufeinander ein und verloren zuletzt sogar ihren Fraktionsstatus in der Bürgerschaft. Auch die LINKE hielt sich mit Personalquerelen und internen Streitereien auf. Gleichwohl waren sich die Grünen ebenfalls nicht alle grün. Einige Mitglieder legten ihre Mandate nieder, traten nach Querelen aus der Partei aus oder wechselten zu den Sozialdemokraten. Doch konnten die Grünen gegen Ende der Legislaturperiode wegen der hervorragenden Umfragewerte in der gesamten Republik wieder recht gute Stimmung verbreiten.

Jedoch: »Durchregieren«, der Traum eines jeden Regenten, ist in Bremen nicht möglich. Zu groß sind die Probleme, mit denen man sich herumquälen muss. Schwer wiegen die leeren Kassen, die vielen Arbeitslosen, vor allem in Bremerhaven, der hohe Anteil der Hartz-IV-Empfänger, darunter viele Kinder und Jugendliche, sowie die chronisch miesen Ergebnisse von Bremer Schülern im internationalen Pisa-Vergleich.

Finanziell bewegt sich das kleinste Bundesland inzwischen hart an der Grenze des Kaputtsparens. Bremen gibt jährlich rund vier Milliarden Euro aus, nimmt aber nur etwas mehr als drei Milliarden ein. Die Zinsausgaben sind mit mehr als 650 Millionen Euro bereits höher als die Sozialausgaben. Und der Schuldendienst soll bis 2014 bis auf 730 Millionen Euro anwachsen.

Kein Wunder, dass sich Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) gegen jede Zusatzausgabe wie die Tariferhöhungen für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes sträubt. Laut Beschluss der Föderalismuskommission II darf Vater Staat ab 2020 keine neue Schulden mehr machen – die »Schuldenbremse«. Damit das so genannte Haushaltsnotlageland Bremen wenigstens eine Chance hat, aus seiner desolaten finanziellen Lage wieder herauszukommen, hat es mit dem Bund und den anderen Bundesländern eine »Verwaltungsvereinbarung« geschlossen: Bremen klagt nicht wie beabsichtigt, um Geld vom Bund zu bekommen. Im Gegenzug überweist das Bundesfinanzministerium bis 2020 rund 2,7 Milliarden Euro an das Land.

Viel entgegenzusetzen hat die Opposition dem Ganzen nicht – bis auf eine von CDU und FDP beim Staatsgerichtshof eingereichte Klage gegen den aktuellen Haushalt wegen Verstoßes gegen die Landesverfassung. Angriffsfläche bietet den Bürgerlichen schon eher Umwelt-, Bau-, Verkehrs- und Europasenator Reinhard Loske (Grüne). Eine seiner ersten Aktionen war es, dafür zu sorgen, dass Bremen eine Umweltzone bekommt. Dagegen wetterten auch die Vertreter der Kaufmannschaft in der Handelskammer und die Handwerkskammer. Nicht nur deshalb ist Loske bis heute bei ihnen so etwas wie eine Unperson.

Loske, so sein Ruf, sei grundsätzlich gegen den Bau von Autobahnen. Dabei ringt Bremen schon seit Jahren darum, seinen Autobahnring zu vervollständigen, um das Güterverkehrszentrum an das überregionale Verkehrsnetz anzuschließen. Das sehen auch die Wirtschaftskapitäne in Bremerhaven als notwendig an: An der Wesermündung muss eine Lösung her, damit die Lkw auf dem Weg zum Containerterminal nicht mehr durch die Stadt rollen. Dass Loske zu Bürgerfesten zur Einweihung eines weiteren Autobahnabschnittes nicht erschien, hat dem Senator nicht gerade Freunde gemacht; und das nicht nur in Wirtschaftskreisen und der bürgerlichen Opposition, sondern auch beim großen Bruder SPD sowie im Wirtschaftsressort.

Für weitere Konflikte könnte nach der Wahl die geplante Vertiefung der Unter- und Außenweser zwischen den Häfen im Bremer Stadtgebiet und dem Containerterminal Bremerhaven sorgen. Während sich das Hafen- und Wirtschaftsressort sowie die Unternehmen dafür aussprechen, laufen Umweltschützer, Grüne und Fischer dagegen Sturm. Die Befürworter reklamieren, dass auch die immer größer werdenden Schiffe die Bremer Häfen erreichen müssen, die Gegner rechnen mit nachhaltigen Umweltschäden, etwa einer Verschlickung der Sielhäfen. Damit würde den Fischern und anderen die Lebensgrundlage entzogen.

Vor allem aber dürfte sich die neue Landesregierung auch künftig mit den sich immer wieder auftuenden Löchern in der Landeskasse herumschlagen. Ob sie es dabei mit einer starken oder eher schwachen Opposition zu tun haben wird, ist die Frage, die die Beobachter der Szenerie an der Unterweser am meisten bewegt. Dass es nach dem 22. Mai mit Rot-Grün weitergeht, daran zweifelt so gut wie keiner.

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