Zwei Welten, ein Konzert

Asien und Europa

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: 2 Min.

Es war ein außergewöhnlicher Abend: Am Pult der Berliner Philharmoniker stand erstmals der japanische Dirigent Yutaka Sado – international erfahren – und präsentierte ein besonderes Programm. Asiatisches und Europäisches fanden sich in sinfonischer Begegnung: ein Werk des bedeutenden Japaners Toru Takemitsu für fünf Schlagzeuger und Orchester und die 5. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch. Einander entfernte Klangwelten? Zweifellos, doch einander ergänzend auf hohem künstlerischen Niveau und berührender Ausstrahlung.

Toru Takemitsu (1930–1996), zunächst seiner nationalen Kultur und dann (50er Jahre) der Avantgarde des Westens verbunden, wollte nach »Krieg und Imperialismus« seines Landes keine japanische Musik komponieren. Dennoch verzauberte sein Stück in der Philharmonie gerade durch asiatisches Flair. Der Titel »From me flows what you call Time« (»Aus mir fließt, was man Zeit nennt«) weist auf die Uraufführung (1990) zur Hundertjahrfeier der New Yorker Carnegie Hall und deutet zugleich das Geheimnis der Klänge an.

Es ist vor allem das meditative Verweilen, ein Sich-Zeitlassen der klingenden Strukturen im Raum, das fesselt. Erfahrungen der Avantgarde (etwa Aleatorik) und asiatischer Tradition (ein Fünftonmotiv) zu Neuem geformt, in hervorragender feinster Interpretation geboten. Die fünf Perkussionisten leisteten Bewundernswertes an differenziertem Spiel und Ausdruck mit Gongs, Glocken, Trommeln, Marimbaphon, Vibraphon, Becken und anderem. Dazu kam ein optisches Element: Sie erschienen in Shirts mit jenen Farben der tibetischen Fahne (blau, rot, gelb, grün, weiß), die auch auf den langen Zugbändern zu Windglockenspielen an der Saaldecke prangten.

Es ist eine leise Musik ohne Aggressionen, eine Musik, die dem Einzelnen Raum gibt, die Solistisches und Orchestrales meist in sanftem Dialog belässt. Yutaka Sado hat dies vollendet fein und transparent angeregt und die Philharmoniker meisterlich inspiriert.

Sensibilität bis zu kammermusikalischer Transparenz bestimmte auch sein Dirigat des monumentalen Schostakowitsch-Werkes: der d-Moll-Sinfonie op.47 von 1937. Es ist jene Reaktion des in dieser Zeit vom Vorwurf des Formalismus verfolgten Komponisten: Nach der persönlichen Zurücknahme seiner kühnen 4. Sinfonie (die für Jahrzehnte in der Schublade verblieb) hat er sich bei der »Fünften« gewissermaßen auf traditionellere Gestaltungsweisen orientiert. Doch trotz freundlicher Gestik ist dieses Werk von kolossaler Kraft und Konflikten erfüllt. Zu erleben hier in bewegender Intensität und wunderbarer Klangkultur.

Die Philharmoniker bescherten ein klingendes Fest und ein fesselndes sinfonisches Drama: vom energischen Moderato über das grotesk scharfe Scherzo zum schmerzerfüllten Largo und zum überbordenden Eklat des Allegro-Finales, das Beklemmung statt (wie einst erwartet) Jubel aufkommen lässt. Nach wie vor ist Schostakowitschs d-Moll-Sinfonie ein großes orchestrales Ereignis.

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