Unter roter oder gelber Flagge

Flexible Freibeuter: Mal koalieren die hessischen Piraten mit der LINKEN, mal mit der FDP

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach ihrem Einzug in zahlreiche hessische Kommunalparlamente und Kreistage zeigt sich die Piratenpartei nach allen Richtungen offen. Während man in Wiesbaden mit der LINKEN kooperiert, geht man in Darmstadt ein Bündnis mit der FDP ein.

Im Rathaus der Landeshauptstadt Wiesbaden war alles schon wenige Tage nach der Kommunalwahl in trockenen Tüchern. Hier rückten die drei Stadtverordneten der LINKEN und die zwei Parlamentsneulinge der Piraten zusammen und bildeten umgehend die Fraktion LINKE&Piraten. Da eine Wählergruppe hier erst ab drei Stadtverordneten Fraktionsstatus erhält, wären die zwei frisch gewählten Piraten alleine auf sich gestellt, in keinem Ausschuss vertreten gewesen und auch nicht in den Genuss finanzieller Mittel für Personal und Büro gekommen.

Die neue fünfköpfige Gemeinschaftsfraktion ist nun in allen Rathaus-Ausschüssen vertreten. Sie hat jetzt ein ehrenamtliches Mitglied im Exekutivorgan Magistrat und einen stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher. Beide Seiten beteuern, dass sie die gleichen politischen Grundsätze verträten. Ihre Grenzen fand die Zusammenarbeit allerdings schon wenige hundert Meter westlich vom Wiesbadener Rathaus. Denn im dicht besiedelten Stadtviertel Westend schlug der in den Ortsbeirat gewählte Pirat Markus Kairies das Angebot des wiedergewählten Vertreters der Linkspartei im Gremium zur engeren Zusammenarbeit aus: »Es ist eine interessante Idee, aber ich mag nicht und sehe meinen Nutzen nicht«, so Kairies in seiner Absage.

Wiesbadener Modell findet keine Nachahmer

Das Wiesbadener Modell einer Fraktion LINKE&Piraten macht nicht in allen hessischen Kommunalparlamenten Schule. So zeigten die Piraten im zwischen Frankfurt und Fulda gelegenen Main-Kinzig-Kreis den drei Kreistagsabgeordneten der Linkspartei die kalte Schulter. Auch aus der Befürchtung heraus, dass die Kreistagsmehrheit durch Anhebung der Mindeststärke für eine Fraktion auf vier Sitze die Rechte kleinerer Parteien und Wählergruppen beschneiden könnte, hatte die LINKE den Piraten vorsorglich Gespräche über eine Zusammenarbeit und Fraktionsgemeinschaft angeboten. Die Piraten lehnten dies ab. Sie wollten »keine Gemeinschaft nur mit der FDP oder nur mit der Linkspartei« eingehen, »da uns dies in das jeweilige politische und ideologische Lager rücken würde, wo wir nicht stehen wollen«, erklärte Piraten-Landesvizechef Ralf Praschak und regte ein »Dreierbündnis« aus Linkspartei, Piraten und FDP an. Dies wiederum konnte auch die LINKE nicht mittragen. Es bleibt nun bei einer dreiköpfigen Linksfraktion mit vollen Fraktionsrechten.

Auch in der Wissenschaftsstadt Darmstadt schreckten die Piraten vor einer Zusammenarbeit mit der örtlichen Linksfraktion und der linksalternativen Liste »Uffbasse« zurück. Bei der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung bildeten sie eine Listenverbindung mit der FDP und einer konservativen Wählergemeinschaft und unterstützten die Wahl eines Liberalen in den Magistrat. In den Reihen der darüber zuvor nicht informierten und daher völlig überraschten beiden linken Gruppierungen löste dieses Verhalten Kopfschütteln und Befremden aus, das sich auch in einem Diskussionsforum auf der »Uffbasse«-Webseite widerspiegelt. »Wie viel FDP verträgt ein Land?«, fragte etwa ein »Uffbasse«-Aktivist. Ein anderer kritisierte die »Piratenmoral« nach dem Motto »Egal welches Schiff vorbeifährt – es wird geentert.«

»Mit FDP und Piraten haben sich zwei Spaßparteien zusammengetan«, kommentierte die Darmstädter Linksfraktion den Coup bei der Magistratswahl. »Die erste Amtshandlung der Piraten, die mit der vollmundigen Forderung nach 'Transparenz in der Politik' angetreten sind, war eine Kungelei mit der FDP, die der Wähler von fünf auf zwei Mandate in zurechtgestutzt hatte«, beklagte die Linksfraktion.

Grundsätze über Bord geworfen

Damit hätten die Piraten »in Rekordzeit ihre Grundsätze über Bord geworfen und die Hinterzimmer geentert«. Bei der Linkspartei ist man besonders darüber verbittert, dass ihr Kandidat Werner Krone bei der Wahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder nicht die notwendige Stimmenanzahl erhielt, obwohl der LINKEN nach den Stimmenverhältnissen ein Sitz in diesem Gremium zugestanden hätte. Krone ist seit Jahren als Aktivist einer erfolgreichen Initiative gegen eine umstrittene Umgehungsstraße bekannt, während der mit Hilfe der Piraten in den Magistrat gewählte FDP-Mann als ausgesprochener Befürworter des Straßenprojekts gilt.

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