Die Lok kommt nicht in Fahrt

BIZ sieht nach wie vor große weltwirtschaftliche Risiken

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Nicht nur wegen der Euro-Krise ist weltwirtschaftlich längst nicht alles in Butter, warnt die Bank für Internationale Zahlungsausgleich (BIZ).

Deutsche Banken bangen mit Hellas. Ihre offenen Forderungen an den griechischen Staat beliefen sich Ende 2010 auf über 30 Milliarden Dollar – etwa zehn Prozent der Staatsschulden. Sie sind damit inzwischen die größten Auslandsgläubiger, heißt es im aktuellen Quartalsbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Die von der Bundesregierung geforderte Beteiligung privater Gläubiger an einem zweiten Rettungspaket für Griechenland würde daher auch deutsche Banken finanziell belasten – vor allem solche mit staatlicher Beteiligung. Rechnet man die Kredite an die griechische Wirtschaft hinzu, kommen deutsche Geldhäuser auf 34 Milliarden Dollar. Französische Banken waren aber mit fast 57 Milliarden Dollar Ende 2010 stärker engagiert. Noch davor liegen einheimische Geldhäuser – allein die Emporiki Bank hat rund 40 Milliarden Dollar an Unternehmen und Privatleute in Griechenland verliehen.

Laut der Investmentbank Goldman Sachs gehören zu den größten Einzelgläubigern die Abwicklungsanstalt (»Bad Bank«) der HRE mit 7,4 Milliarden Euro, die teilverstaatlichte Commerzbank mit 2,9 Milliarden und die Deutsche Bank/Postbank mit 1,6 Milliarden. Existenzbedrohlich sind diese Summen aber nicht, sollte es zu einem Zahlungsausfall kommen. Größter Einzelgläubiger ist längst die Europäische Zentralbank. Die EZB soll griechische Staatsanleihen im Wert von 50 Milliarden Euro (etwa 70 Milliarden Dollar) in ihren Beständen halten.

Die schwelende Euro-Krise ist nicht der einzige Brandherd, über den sich die BIZ Sorgen macht. Nach dem verheerenden Erdbeben in Japan im März zogen sich Finanzinvestoren in weniger risikobehaftete Geschäfte zurück. Doch kehrte sich dieser Trend rasch wieder um, als die Unsicherheiten über die wirtschaftlichen Folgen der Katastrophe nachließen. Entwarnung gibt die BIZ daher nicht. Zu widersprüchlich sind auch die Signale aus der Realwirtschaft. Die Weltkonjunktur zieht nach wie vor an, der Überseehandel blüht. Nach Schätzungen der BIZ hat sich »die Produktionslücke im vergangenen Jahr vollständig geschlossen«. Das heißt, weltweit sind Fabriken, Dienstleister und Büros nahezu ausgelastet. In der Folge werden Unternehmen in die Erweiterung ihrer Produktionsanlagen und Verwaltungen investieren. Davon dürfte besonders die deutsche Wirtschaft profitieren. Sie ist zwar nicht wie China die Fabrik der Welt, aber sie baut diese Fabrik. Und auch in den großen Schwellenländern brummt der Wirtschaftsmotor. Anders in den USA: Die globale Konjunkturlokomotive will einfach nicht in Fahrt kommen. Ausbleibende Zulieferungen aus Japan für die Autoindustrie, die hohe Staatsverschuldung der USA und hohe Auslandsschulden sind die Gründe.

Womit sich der Kreis zur Euro-Krise schließt: Die Wirtschaft in Portugal, Griechenland und weiteren EU-Staaten dürfte 2011 schrumpfen. Die BIZ, die in der Vergangenheit frühzeitig und deutlich vor einzelnen Fehlentwicklungen warnte, ist angesichts der Gemengelage zurückhaltend.


Lexikon

Die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ist ein 1930 gegründeter Zusammenschluss wichtiger Zentralbanken. Sie verwaltet einen Teil der globalen Währungsreserven und fördert die internationale Zusammenarbeit in Geld- und Finanzfragen. Ihr bekanntestes Organ ist der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, der Eigenkapitalanforderungen für die privaten Kreditinstitute erarbeitet. Als Reaktion auf die Finanzkrise wurde hier das strengere Regelwerk Basel III erarbeitet, das bis 2018 in Kraft treten soll. ND

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