Was Rot so besonders macht

Wissenschaftler erforschen die unbewusste Wirkung von Farben

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Farbe Rot übt auf Menschen eine starke Signalwirkung aus. Denn in vielen Situationen des Alltags steht Rot als Zeichen für Gefahr und gilt mithin als Aufforderung, vorsichtig zu sein. Man denke nur an die rote Ampel oder die zahlreichen roten Warnschilder im Straßenverkehr.

Dass Menschen so sensibel auf die Farbe Rot reagierten, sei nicht nur kulturell bedingt, sondern habe auch evolutionäre Wurzeln, meint Jerald Kralik vom Dartmouth College in New Hampshire (USA). Auf einer kleinen Insel vor Puerto Rico führten Kralik und seine Kollegen ein Experiment mit Rhesusaffen durch. Zwei Personen legten den Affen jeweils ein Apfelstück hin und gingen zwei Schritte zurück. Fast immer griffen die Affen begierig zu und rannten dann mit dem Leckerbissen davon. Dabei spielte es keine Rolle, ob die fütternden Personen männlich oder weiblich, grün oder blau gekleidet waren. Trug eine Person allerdings ein rotes T-Shirt, ließen die Affen deren Apfelstück liegen, was laut Kralik darauf hindeutet, dass die Versuchstiere der Farbe Rot mit gehörigem Respekt begegneten. Woraus aber resultiert dieser Respekt? Darüber können die Forscher nur spekulieren. Kralik führt als Grund unter anderem die Rotfärbung des Blutes an. Denn Blut ist – vermutlich auch für Affen erkennbar – der »Saft des Lebens«, und wo dieser etwa nach Verletzungen zum Vorschein kommt, ist Gefahr im Verzug. Womöglich lässt sich so auch erklären, warum viele Menschen kein Blut sehen können und davor mitunter sogar weglaufen.

Andererseits wird fast jeder Mensch, der zornig oder wütend ist, rot im Gesicht. Für seine Umgebung heißt das: »Vorsicht!« Denn die rote Färbung der Gesichtshaut deutet darauf hin, dass die betreffende Person all ihre Kräfte mobilisiert hat und sich darauf vorbereitet, notfalls zum Angriff überzugehen.

An dieser Stelle lohnt erneut ein kurzer Blick ins Tierreich. Vor einigen Monaten haben Biologen aus Großbritannien und Swaziland beobachtet, dass bei Geiern vor allem diejenigen Tiere als Sieger im Kampf mit Artgenossen hervorgingen, die zuvor eine besonders kräftige Rotfärbung des Kopfes erkennen ließen. Man kann daher vermuten, dass das Erröten als optisches Signal nicht nur den inneren Erregungszustand eines Geiers anzeigt, sondern ebenso dessen körperliche Stärke. Ein solcher Zusammenhang ist natürlich auch bei anderen Spezies denkbar. Beim Menschen jedoch darf man ihn getrost vernachlässigen.

Für unsere Vorfahren war es in vielen Lebenslagen zweifellos von Nutzen, unbewusst auf die Gesichtsfarbe von Konkurrenten zu achten. Allerdings sind solche Signale leicht zu missdeuten. So kann ein rotes Gesicht schlicht von großer körperlicher Anstrengung herrühren. Darüber hinaus habe der evolutionär geprägte Respekt vor der Farbe Rot auch lähmende Wirkungen, meint der US-Psychologe Andrew Elliot und verweist auf Untersuchungen, wonach Kampfsportler gegen rot gekleidete Gegner häufiger verlören als gegen andersfarbig angezogene Kontrahenten. Und noch etwas wurde unlängst beobachtet: In rot gefärbten oder beleuchteten Zimmern schneiden Schüler bei der Lösung anspruchsvoller geistiger Aufgaben im Schnitt schlechter ab als etwa in blau gefärbten Räumen.

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