Traditionell klamm

28 600 Euro Schulden pro Kopf – in Bremen ist die Haushaltslage besonders angespannt

  • Sönke Möhl, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Bremen ist das kleinste Bundesland – aber es hat unter allen Ländern das größte Schuldenproblem. Nach ihrem Wahlsieg im Mai sucht die Landesregierung aus SPD und Grünen nach neuen Wegen, die Lage zu verbessern.

Bremen. Die finanzielle Lage des Landes Bremen ist miserabel – und das aus Tradition. Die großen Löcher in der Kasse sind aber kein Grund zu öffentlicher Aufregung bei den Regierungsparteien SPD und Grüne. Hinter verschlossenen Türen mag es bei den Koalitionsverhandlungen auch Differenzen über den richtigen Weg aus den roten Zahlen gegeben haben, nach außen präsentierten sich die Parteichefs Andreas Bovenschulte (SPD) und Susan Ella-Mittrenga (Grüne) in finanziellen Fragen ganz entspannt. Wäre Bremen nicht die stolze Freie Hansestadt, stünde möglicherweise längst der Schuldnerberater aus dem Fernsehen vor der Tür. Denn in diesem Jahr stehen Ausgaben von 4,5 Milliarden Euro Einnahmen von nur 3,3 Milliarden Euro gegenüber.

Das große Ziel Bremens entspricht dem der anderen Bundesländer: Bis 2020 soll die Schuldenbremse so stark angezogen werden, dass der Zwei-Städte-Staat mit seinen rund 660 000 Einwohnern ohne neue Kredite auskommt. Das strukturelle Defizit muss dazu jedes Jahr um etwa 120 Millionen Euro abgebaut werden, damit Bremen bis 2019 jährliche Hilfen von 300 Millionen Euro bekommt. »Der Aufschwung ermöglicht uns, die Konsolidierung voranzubringen«, sagt Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne). Sie spricht aber auch von einem steinigen Weg für Bremen.

Wenn das klappt, sollen die Schulden 2018 mit 21,8 Milliarden Euro ihren höchsten Stand erreichen und danach leicht sinken. Im Vergleich zu den für Ende dieses Jahres erwarteten knapp 18,9 Milliarden Euro sattelt Bremen damit aber noch einmal kräftig drauf. Mit geschätzten fast 28 600 Euro Schulden pro Kopf steht das Land Ende 2011 dann abgeschlagen am Ende aller Bundesländer und erreicht fast griechisches Niveau. Spitzenreiter Bayern leistet sich dagegen gerade etwas mehr als 2600 Euro Miese je Einwohner.

Stellenabbau, Mehrarbeit

Neue Schulden dienen in den beiden Städten an der Weser inzwischen weitgehend dazu, die Zinsen für alte Kredite zu bezahlen, die jedes Jahr mit fast 680 Millionen Euro zu Buche schlagen. »Aus dieser Schuldenspirale kann sich Bremen aus eigener Kraft nicht mehr befreien«, heißt es dazu im Jahresbericht des Rechnungshofs. Dessen Präsidentin, Bettina Sokol, fordert angesichts der dramatischen Lage, den Wirtschaftlichkeitsgedanken endlich in der gesamten Verwaltung fest zu verankern. »Hier besteht noch erheblicher Nachholbedarf.« Die Koalition findet ihre eigenen Beschlüsse durchaus ehrgeizig. So sollen in den kommenden vier Jahren 950 Planstellen in der Verwaltung des Landes abgebaut werden.

Sokol reicht das nicht. Eine Stunde Mehrarbeit pro Woche würde eine Entlastung um weitere 250 Planstellen bedeuten. Auf der Einnahmeseite könnte die Stadt jährlich bis zu zehn Millionen Euro mehr verbuchen, wenn sie nur eine Straßenreinigungsabgabe erheben würde, wie sie in vielen Städten längst üblich sei.

SPD-Chef Bovenschulte sieht das Problem vor allem auf der Einnahmeseite und die Schuld in Berlin. Der Bund habe Steuern zulasten der Länder gesenkt. »Das ist die größte einzelne Bedrohung für den Konsolidierungskurs Bremens«, sagte er während der Koalitionsverhandlungen. So reagiert Finanzsenatorin Linnert auf die aktuelle Steuersenkungsdebatte in der schwarz-gelben Koalition in Berlin auch mit schroffer Ablehnung: »Die Schuldenbremse verträgt keine Steuersenkungen.«

Liste der Verschwendung

Der Rechnungshof kennt über das Einnahmeproblem hinaus aber auch Beispiele für heimische Geldverschwendung in Millionenhöhe. Dabei geht es um Veranstaltungen, Recyclinghöfe, das Auswandererhaus in Bremerhaven, Mieteinnahmen, das Hafengesundheitsamt und etliches mehr. SPD und Grüne waren sich bei den Koalitionsverhandlungen einig, dass Bremen seine Einnahmesituation verbessern muss. Dazu sollen auch Steuererhöhungen geprüft werden.

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