Warme FDP-Progression

Kommentar von Kurt Stenger

  • Lesedauer: 2 Min.

Marktliberale Steuersenker malen seit Jahren in schöner Regelmäßigkeit das Gespenst der »kalten Progression« an die Wand. Dieser Begriff besagt, dass bei Lohnsteigerungen das Finanzamt einen Teil davon für den Staat beansprucht. Aber das ist richtig so: Gemäß dem Verfassungsgrundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit werden bei höheren Einkommen auch höhere Steuersätze fällig. Die Idee der »Flat Tax«, einer einheitlichen Einkommensteuer, ist zum Glück in Deutschland über neoliberale Zirkel bisher nicht hinausgekommen.

Es gibt jedoch bei der »kalten Progression« ein technisches Problem: Im unteren Einkommensbereich steigen die Steuersätze zu steil an, so dass das Finanzamt einen großen Teil der Lohnerhöhung einbehält. Dies ließe sich ganz unspektakulär durch Neujustierung des gesamten Steuerverlaufs beheben – für den Staat einnahmenneutral. Mit Verweis auf die »kalte Progression« sind Steuersenkungen daher nicht zu rechtfertigen. Es geht der Koalitionsspitze ohnehin nur darum, die angeschlagene Ein-Punkt-Partei FDP wenigstens mal wieder in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde zu hieven. Also auch eine Art – wahltaktische – »Progression«.

Der eigentliche Skandal liegt ohnehin nicht im Steuerbereich, sondern in der (Niedrig-)Lohnpolitik. Seit vielen Jahren sind die Steigerungen, so es denn überhaupt welche gibt, derart mickrig, dass das Nach-Steuer-Plus ein Witz ist. Dies hat bekanntlich die aktuellen Verwerfungen im Euro-Raum mit verursacht. Adäquate Lohnerhöhungen, von denen auch der Staat etwas hat, wären das richtige Rezept. Doch hier setzt die Koalition natürlich nicht an – er geht es ihr um die »warme FDP-Progression«.

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