Widerstand gegen EU-Freihandel nimmt zu

Ecuador und Peru stellen Handelsverträge auf den Prüfstand

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Staaten Südamerikas wenden sich in zunehmender Offenheit gegen die Freihandelspolitik der Europäischen Union und der USA. Nach Ecuador kündigte auch der designierte Präsident von Peru, Ollanta Humala, an, die bestehenden Verträge zu überprüfen.

Ecuadors Präsident Rafael Correa ließ keinen Deutungsspielraum: Bei den laufenden Verhandlungen mit der EU werde man nicht, wie in der Vergangenheit, in neokoloniale Abhängigkeiten verfallen. Zudem stehe kein Freihandelsvertrag zur Debatte, sondern ein einfaches Handelsabkommen. »Und das sollte beiden Seiten dienen«, fügte der Staatschef Mitte Juni gegenüber der Regierungszeitung »El Ciudadano« an.

Zuvor hatte Vizeaußenminister Kintto Lucas die neoliberalen Position der EU rundweg abgelehnt. Die meist regierungskritischen Privatmedien hatten daraufhin zu Monatsbeginn über einen grundsätzlichen Konflikt in der Regierung berichtet. Er sei mit der Deutung Lucas' völlig einverstanden, stellte Correa daraufhin klar. In der Vergangenheit hätten die Abkommen eine »neokoloniale Tendenz« gehabt: »Schauen Sie sich nur die Verträge mit den USA an.«

Die Staaten Lateinamerikas drängen zunehmend auf einen Handel mit den Industriestaaten, der die Bedürfnisse beider Seiten berücksichtigt. Als Negativbeispiel gilt der Nordamerikanische Freihandelsvertrag NAFTA zwischen Kanada, den USA und Mexiko. Nach Inkrafttreten des Kontraktes verloren zehntausende Kleinbauern in Mexiko ihre Arbeit, weil sie mit der hoch technologisierten Landwirtschaft der USA nicht mithalten konnten. Heute sind sich Experten einig, dass die Folgen für das lateinamerikanische Land verheerend waren. Der designierte Präsident von Peru, Ollanta Humala, versprach deswegen schon in dem Wahlprogramm seines Bündnisses »Gana Perú« eine Überprüfung der bestehenden Handelsverträge. 2009 hatte der bis dato neoliberal regierte Andenstaat ein Freihandelabkommen mit den USA unterzeichnet, hinzu kommen rund zehn weitere Handelsverträge, die einen weitgehend unregulierten Warenverkehr begünstigen. Bei seinem Antrittsbesuch in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires erklärte der linksgerichtete Politiker daher unlängst, dass er der Integration Perus in das südamerikanische Handelsbündnis Mercosur den Vorzug geben wird. Allerdings stehen die Zollbestimmungen bestehender Verträge diesem Schritt entgegen.

Bei den letzten Gesprächen in Brüssel machen auch Vertreter aus Ecuador deutlich, dass sich die Regierung von Rafael Correa auf die Märkte des Südens orientieren wird. So stieß EU-Handelskommissar Karel de Gucht bei der ecuadorianischen Produktionsministerin Natalie Celie auf wenig Begeisterung, als er ihr Anfang Juni einen zuvor intern abgestimmten Forderungskatalog präsentierte. Vor allem Frankreich hatte nach Angaben beteiligter Diplomaten auf die Wahrung der Investitionsschutzabkommen für EU-Unternehmen gedrängt. Bei Dienstleitungen, Niederlassungen und im öffentlichen Beschaffungswesen drängt die EU auf eine weitgehende Deregulierung auf ecuadorianischer Seite. Ein Handelsabkommen zwischen Brüssel und Quito müsse sich eng an den bisherigen Verhandlungen mit Kolumbien und Peru orientierten, trug De Gucht der Ministerin nach ND-Informationen vor. Daran aber hat die linksgerichtete Regierung von Präsident Correa wenig Interesse, wenn sie die Industrialisierung und den Binnenmarkt im eigenen Land aufbauen will.

Das neue Selbstvertrauen der südamerikanischen Staaten im Handelsstreit wird auch durch die Eurokrise befördert. Ecuadors Vizeaußenminister Lucas jedenfalls zeigte sich davon überzeugt, »dass Europa nicht nur neue Märkte zu erschließen versucht, sondern den eigenen Unternehmen neue Möglichkeiten bieten will«. Die exportorientierte Wirtschaft, so Lucas, werde auch von den Mercosur-Staaten kritisiert, weil sie die Ungleichheiten im Nord-Süd-Verhältnis festigt. Dennoch zeigte sich der Politiker zuversichtlich. Unter dem Druck der Krise habe die EU in den bilateralen Verhandlungen zuletzt erkennen lassen, dass sie Ecuador immerhin bessere Bedingungen als Kolumbien und Peru einzuräumen bereit ist. Ein grundsätzlicher Kurswechsel in Brüssel ist jedoch nicht zu erkennen.

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