In der Parallelwelt
Kommentar von Wolfgang Hübner
Ein deutscher Schauspieler, so ist es überliefert, konnte zwar nicht Russisch, aber die Sprache lautmalerisch täuschend echt nachahmen. Bei einer Feier rührte er russische Kollegen mit einem weitschweifigen Trinkspruch in diesem Idiom zu Tränen und zu dem Bekenntnis: »Ich höre Mütterchen Russland, aber ich verstehe kein Wort.«
So ähnlich ist es mit den Politikern. Nullwachstum, Subsidiarität, Kofinanzierung – sie sprechen deutsch, aber was sagen sie? Vor allem junge Leute, so eine Studie, können mit der Sprache der Politiker, mit ihren Floskeln und Fachbegriffen, nichts anfangen. Das hat zu tun mit der Parallelwelt von Politikern in Ausschüssen, Gremien und Fernsehstudios. Es hat zu tun mit der teils gefühlten, teils realen Ohnmacht des Einzelnen. Es hat zu tun mit dem Niveau der Massenmedien, mit Defiziten in Bildung und Familienerziehung. Es hat zu tun mit der komplexer werdenden Welt und dem unerfüllbaren Versprechen der Politik, die Dinge zu regeln.
Und es hat zu tun mit dem Missbrauch der Sprache. Ein Verzicht auf Fach-Chinesisch und Polit-Blabla wäre schon viel wert. Die Sprache zu ihrem eigentlichen Zweck zu verwenden, wäre ein echter Fortschritt: zur Verständigung. Wir hätten da eine Lösung: Der Bundestag erlässt eine Sprachzweckentfremdungsverbotsverordnung.
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