Helft Heinrich

Belgische Gewerkschaften kämpfen gegen deutsche Niedriglöhne

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die christliche belgische Gewerkschaft (CSC) ruft Belgiens Arbeiter zur Solidarität mit den Beschäftigten in der Bundesrepublik auf. Denn bessere Löhne in Deutschland würde zugleich den Druck auf dem belgischen Arbeitsmarkt verringern.
»Heinrich« – das ist der deutsche Niedriglöhner, dessen Arbeitseinkommen nicht zum Überleben reicht.
Deutschland will sein Modell von Niedriglöhnen europaweit exportieren. In Belgien halten Gewerkschafter kreativ dagegen. »Minijobs, prekäre Arbeitsverhältnisse und Hartz IV sind nicht unsere Sicht für die Zukunft der belgischen Arbeitnehmer«, erklären sie.
»Heinrich« – das ist der deutsche Niedriglöhner, dessen Arbeitseinkommen nicht zum Überleben reicht. Deutschland will sein Modell von Niedriglöhnen europaweit exportieren. In Belgien halten Gewerkschafter kreativ dagegen. »Minijobs, prekäre Arbeitsverhältnisse und Hartz IV sind nicht unsere Sicht für die Zukunft der belgischen Arbeitnehmer«, erklären sie.

Deutsche Gewerkschafter staunten nicht schlecht, als sie bei der Demonstration des Europäischen Gewerkschaftsbundes Ende Juni in Luxemburg einer großen Schar belgischer Kollegen begegneten. »Das deutsche Jobwunder – Ich verdiene 4,81 Euro in der Stunde« stand schwarz-rot-gold auf ihren T-Shirts und Plakaten. Unter der Parole »Helft Heinrich« demonstrieren die belgischen Gewerkschafter gegen deutsche Hungerlöhne. »Lasst Europa nicht dem deutschen Beispiel folgen«, lautet die klare Botschaft der Belgier.

»Heinrich« – das ist für den christlichen belgischen Gewerkschaftsbund CSC der deutsche Niedriglöhner, dessen Arbeitseinkommen nicht zum Überleben reicht. Und Heinrich hat in dieser Kampagne Leidensgenossen in Westeuropa. So etwa die traurig und ermattet wirkende französische Helène, die dank der »Rentenreform« von Staatspräsident Nicolas Sarkozy zwei Jahre länger arbeiten muss. Oder den jungen Henry aus England, der Architekt werden will, jedoch die 11 000 Euro Studiengebühren im Jahr nicht aufbringen kann.

Heinrich, Helène und Henry stehen für die deutschen, französischen und britischen Zustände, die die CSC-Aktivisten in ihrem Land um jeden Preis vermeiden wollen. Ein »Wirtschafts- und Jobwunder« nach deutschem Vorbild, bei dem zwei Millionen Menschen weniger als sechs Euro in der Stunde verdienen, schreckt sie ab. »Minijobs, prekäre Arbeitsverhältnisse und Hartz IV sind nicht unsere Sicht für die Zukunft der belgischen Arbeitnehmer«, heißt es in einer Publikation. In Belgien liegt der gesetzliche Brutto-Mindestlohn derzeit bei 1415 Euro monatlich oder 8,59 Euro in der Stunde.

»Wir brauchen keine Lektion von Frankreich oder Deutschland, wo in wenigen Jahren das Armutsrisiko um 25 Prozent gestiegen ist«, sagt ein CSC-Aktivist gegenüber ND. Besonders verärgert sind die Belgier darüber, dass die Regierungen in Berlin und Paris sowie die EU-Institutionen von Belgien die Abschaffung der noch bestehenden automatischen Lohnanpassung an die Lebenshaltungskosten verlangen. So will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Unterstützung von Sarkozy auch Belgien zur Hinnahme eines »Wettbewerbsplans« zwingen, der überdies eine Anhebung des Rentenalters und die verstärkte Flexibilität des Arbeitsmarktes vorsieht. Statt das europäische Sozialmodell »auf dem Altar der Finanzmärkte zu opfern«, fordert die CSC menschenwürdige Mindestlöhne, Renten und Arbeitslosengelder in ganz Europa und lehnt jegliche Aushebelung des Kündigungsschutzes, Anhebung der Altersgrenzen und Aufweichung von Altersteilzeitregelungen ab. Statt Einsparungen im Sozialbereich verlangt sie höhere Steuern auf Vermögen, Kapitalerträge und Finanztransaktionen.

Für diese Forderungen gingen CSC-Mitglieder in den vergangenen Monaten auch im ostbelgischen Grenzgebiet zu Nordrhein-Westfalen mehrfach auf die Straße. In Aachen fanden sie mit ihrem Informationsstand in der Innenstadt immerhin die Unterstützung einiger kritischer Gewerkschafter, die die Aktionen ausdrücklich begrüßten. Der Koordinator des Arbeitskreises, Manfred Engelhardt, hält internationale Gewerkschaftssolidarität gerade in einer Grenzregion für ein »Gebot der Stunde«. Und er wünschte sich eine »kraftvollere« Unterstützung der Helft-Heinrich-Kampagne durch den DGB und seine Einzelgewerkschaften.

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