Französische Regierung kämpft für die Stopfleber

Landwirtschaftsminister will Ausstellungsverbot auf Kölner Messe kippen und ignoriert wachsende Kritik an Tierquälerei

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Für die einen ist es blanke Tierquälerei, für andere geht es um eine Delikatesse, auf die sie nicht verzichten wollen. Der Streit belastet nun auch die deutsch-französischen Beziehungen.

Die französische Regierung protestiert gegen das geplante Ausstellungsverbot gegen Anbieter von »Foie gras« (Stopfleber) auf der Nahrungsgütermesse Anuga im Oktober in Köln. Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire setzt sich in einem Brief an seine deutsche Kollegin Ilse Aigner für die Interessen der Hersteller ein, für die die Messe in Köln gerade im Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft ein wichtiger Termin sei. Sollte es bei dem Verbot bleiben, dann werde er nicht an der feierlichen Eröffnung der Anuga teilnehmen, kündigt der Minister an. Dieses Verbot ist offensichtlich auf Druck von Tierschutzvereinigungen zustande gekommen, schreibt Le Maire und weist auf die möglichen Folgen für die Vermarktung zahlreicher Tierprodukte hin: »Heute geht es um Foie gras, morgen könnten vielleicht schon sämtliche Arten von Fleisch betroffen sein«, schreibt Le Maire. Die Kritik der Tierschützer an der französischen Stopfleber-Produktion weist er mit der Anmerkung zurück, dass »Frankreich alle EU-Vorschriften über das Wohl der Tiere peinlich genau einhält«.

Doch damit sagt der Minister nur die halbe Wahrheit. Auf Grundlage einer Empfehlung des EU-Ministerrats wurde die Käfighaltung von Geflügel bereits seit 2005 schrittweise in einzelnen Mitgliedsländern verboten. Ab 2012 ist sie EU-weit untersagt, doch die französische Regierung hat für ihre Gänse- und Entenzüchter eine »Schonfrist« bis Ende 2015 und sogar EU-Gelder für die Umrüstung erwirkt. So werden in Südwestfrankreich, dem Zentrum der Stopfleber-Produktion, nach wie vor nahezu 90 Prozent der dafür gemästeten Gänse und Enten in Käfigen gehalten, die so eng sind, dass die übergewichtigen Tiere sich nicht einmal umdrehen können. Sie leben gewöhnlich nur drei Monate, wobei sie in den letzten drei bis vier Wochen »gestopft« werden. Dabei wird ihnen mittels eines Rohres mehrmals täglich ein Futterbrei aus zermahlenem Mais und Schweineschmalz durch den Schlund direkt in den Magen gepumpt. Dadurch schwillt die Leber stark an und wiegt bei der Schlachtung bis zu zwei Kilogramm. Sie wird dann gekocht und gewürzt und so scheibenweise als Delikatesse verzehrt oder zu Pasteten weiterverarbeitet.

Mehr als 30 Millionen Gänse und Enten werden jedes Jahr in Frankreich »gestopft«; mindestens eine Million von ihnen stirbt durch die krasse Fehlernährung oder an Verletzungen durch die Stopfrohre. Wegen der an Tierquälerei grenzenden Zustände und nach Proteste von Tierschutzorganisationen in vielen Ländern wurde die Produktion von Stopfleber vielerorts verboten. In der EU ist sie heute außer in Frankreich noch in Belgien, Spanien, Ungarn und Bulgarien erlaubt. Wegen der Binnenmarktregeln der EU kann die so produzierte »Foie gras« aber auch in den anderen europäischen Ländern verkauft werden. Deutschland, das die Produktion bereits 1993 verboten hat, importierte im vergangenen Jahr 170 Tonnen Stopfleber aus Frankreich. In den USA wurde 2004 sogar kurzzeitig ein Einfuhrverbot verhängt, doch weil dieses gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstößt, wurde es kurz darauf durch eine 100-prozentige Importsteuer ersetzt.

In Frankreich dagegen hat das Parlament 2005 »Foie gras« per Gesetz zum »nationalen und gastronomischen Kulturerbe« erklärt, so dass hier der Tierschutz nicht greift. Die Branche repräsentiert rund 14 000 Arbeitsplätze und produzierte im vergangenen Jahr fast 20 000 Tonnen Stopfleber. Davon wurden 80 Prozent im eigenen Land verzehrt.

Wegen der quälenden Zwangsernährung der Gänse und Enten ist die Produktion von »Foie gras« aber auch in Frankreich nicht mehr unumstritten. Die Köche der besten Restaurants haben längst umgestellt. Sie kaufen keine Stopfleber mehr von den großen Produzenten, sondern nur noch von ausgewählten Züchtern, die nicht stopfen, sondern die Fettleber bei ihren Tieren allein durch entsprechende Nahrung erzielen. Allerdings dauert das dann nicht wenige Monate wie in der Industrie, sondern bis zu zwei Jahre, und hat seinen Preis. Und französische Tierschützer fordern längst ein Verbot im eigenen Lande. Der frühere Filmstar Brigitte Bardot hat nun ebenfalls an die deutsche Agrarministerin geschrieben und diese aufgefordert, nicht auf die Erpressung durch ihren französischen Amtskollegen einzugehen.

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