Linke kritisieren »Polittheater«

Debatte um USA-Staatsschulden / Sparprogramm trifft Rentner und Arme

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum ersten Mal seit Beginn des seit Monaten dauernden Haushaltsstreits erklärte Präsident Barack Obama am Mittwoch seine Zustimmung zu einer kurzfristigen Anhebung der Schuldenobergrenze. Voraussetzung sei aber, dass das Verfahren Teil einer umfassenden Lösung ist, so Obama. Linke Kritiker sprechen von »Polittheater« und fordern Kürzung der Militärausgaben.

Zahlungsfähig sind die USA noch bis Anfang August. Aber wenn sich bis zum 2. des Monats Demokraten und Republikaner nicht geeinigt haben, dann wird die Federal Reserve Bank, die dem USA-Finanzministerium als Bank dient, etlichen Gehaltsgruppen und Investoren keine Schecks mehr ausstellen. Präsident Obama sprach kürzlich vom Armageddon, dem Jüngsten Gericht, der Fed-Chef Ben Bernanke von der Selbstverstümmelung Amerikas – falls der Kongress dem Präsidenten nicht schleunigst einen Gesetzesentwurf für die Anhebung der Schuldenobergrenze über die gegenwärtigen 14,3 Billionen Dollar hinaus unterschriftsreif vorlegt.

Bisher hatte Obama betont, er werde jeglicher kurzfristiger Lösung seine Zustimmung verweigern. Am Mittwoch signalisierte der Weiße-Haus-Sprecher James Carney, dass Obama einen von sechs Senatoren beider Parteien veröffentlichten Rahmenplan unterstützen würde. Darin ist die Rede von Ausgabenkürzungen in Kombination mit der Anhebung der Schuldendecke. Innerhalb von zehn Jahren will die Sechsergruppe Ausgaben in Höhe von 3,7 Billionen Dollar kürzen, mithilfe von Reformen im Steuer- und Sozialbereich sowie beim Militär. Im Gegenzug soll die Schuldengrenze angehoben werden, damit die Bundesbehörden nach dem 2. August die Rechnungen bezahlen und neue Kredite aufnehmen können.

Doch eine schnelle Verabschiedung dieses erst in dieser Woche veröffentlichten Entwurfs, der zudem noch nicht ausgereift ist, bleibt unwahrscheinlich. Deshalb haben zwei führende Senatoren aus beiden Parteien einen »Plan B« erarbeitet, der es Obama unter Zuhilfenahme gesetzlicher Winkelzüge erlauben würde, die Schuldengrenze einseitig und nur mit Zustimmung seiner Parteikollegen um 2,5 Billionen Dollar zu erhöhen. Dies würde nach dem Plan des Demokraten Harry Reid und des Republikaners Mitch McConnell in drei Phasen bis zum Jahresende 2012 erfolgen.

Die Schuldenobergrenze ist in den USA während er vergangenen Jahrzehnte mehrfach ohne Streit angehoben worden. Darüber hinaus verabschiedeten Demokraten wie Republikaner im vergangenen Jahr einen Haushaltsentwurf, in dem das Überschreiten der Grenze absehbar war. Beides Gründe, die bei den Linken in den USA Kritik auslösen. Die Republikaner würden versuchen, Obama, dem »großen Geldverschwender«, die Wirtschaftskrise anzuhängen. Die Demokraten wiederum würden sich als die Verteidiger sozialer Errungenschaften aufspielen. Es handelt sich um »Polittheater«, meint der New Yorker Wirtschaftsprofessor Rick Wollf gegenüber ND. Die Debatte um die Schuldenobergrenze sei ein Nebenschauplatz, ihre Anhebung bekämpfe weder das Defizit noch die Wirtschaftskrise insgesamt. Dahinter stecke Austeritätspolitik, also Sparprogramme.

Der unabhängige und sozialistisch orientierte Senator in Washington, Bernie Sanders aus dem Bundesstaat Vermont, warnte als Einziger im Oberhaus aus sozialpolitischer Sicht vor dem Vorschlag der Sechsergruppe. Das Ergebnis bestehe in »verheerenden Kürzungen bei Renten, Sozialprogrammen für Arme und Alte und vielen anderen Programmen, die für arbeitende Familien in diesem Land überlebenswichtig sind«, erklärte Sanders. Mindestens die Hälfte der Mittel zur Reduzierung des Defizits müsse »von den oberen Einkommen und profitabelsten Unternehmen« eingenommen werden. »Außerdem müssen wir uns die Militärausgaben vornehmen, die sich seit 1997 verdreifacht haben«, forderte Sanders.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal