Sieches Prestigeprojekt

Einrichtung der Hamburger Hafencity-Universität kommt nicht voran, kostet aber Unsummen

  • Rainer Kreuzer, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Lieblingsobjekt der Hamburger CDU steht vor der Pleite. Neue SPD-Mehrheit in der Bürgerschaft schließt einen Zusammenschluss der Hafencity-Universität mit der TU Harburg nicht mehr aus. Dabei war die Lehreinrichtung erst Anfang 2006 vom damaligen Wissenschaftssenator Jörg Dräger als hochgepriesenes Vorzeigeprojekt ins Leben gerufen worden.

Das einstige Leuchtturmprojekt des alten Hamburger CDU-Senats, die Hafencity-Universität (HCU), droht wegen Geldmangels zu scheitern: Die Lehreinrichtung für Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung steht finanziell vor der Pleite. In der SPD-Fraktion des neuen Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz wird Presseberichten zufolge sogar eine Zusammenlegung der HCU mit der Technischen Hochschule Harburg erwogen. Offiziell wollte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Dirk Kienscherf dies zwar nicht bestätigen, räumte aber ein, dass es in seiner Fraktion »diverse Strukturüberlegungen« zur Hafencity-Universität gibt.

Kurz zuvor hatte HCU-Präsident Walter Pelka für eine Online-Petition 3273 Unterschriften gesammelt und damit seine Forderung an den Senat nach »Eigenständigkeit und ausreichender Finanzierung« untermauert. Bei einem Jahresetat von 13 Millionen Euro fehlen der neuen Universität regelmäßig drei Millionen Euro.

»Die Ursachen für das nachhaltige Defizit liegen dabei überwiegend in Fehlannahmen und Fehlberechnungen in der Gründungsphase«, teilte die Universität in einer schriftlichen Erklärung mit. »Erfolgt die seit Jahren überfällige Korrektur des nachweislich nicht ausreichenden Gründungsbudgets nicht, würde dies für die HCU einen sich über fast ein Jahrzehnt hinschleppenden Schrumpfungsprozess bedeuten.«

Kritik von allen Seiten

Die Hafencity-Universität war erst Anfang des Jahres 2006 vom damaligen Wissenschaftssenator Jörg Dräger als hochgepriesenes Vorzeigeprojekt ins Leben gerufen worden. Sie sollte das Image der umstrittenen Hafencity, dem sterilen neuen Reichenviertel, aufpolieren und Hamburg als Wissenschaftsstandort voranbringen. Doch wie bei den anderen Leuchtturmprojekten der alten CDU-Regierungen auch liefen die Kosten ins Uferlose. Der Baubeginn für das eigentliche Uni-Gebäude in der Hafencity verzögerte sich, weil der Senat mit den Handwerksbetrieben nachverhandeln musste.

Erst Ende vergangenen Jahres wurde nun mit den Arbeiten begonnen, die bis 2013 insgesamt rund 66 Millionen Euro kosten sollen. Aber noch immer ist das bürokratische Konstrukt der Hafencity-Universität auf verschiedene Standorte der ehemaligen Fachhochschule, der Universität Hamburg und der Technischen Universität Harburg verteilt.

Während außer dem Finanzloch für die HCU offiziell zurzeit noch nichts entschieden ist, hagelt es bereits Kritik von allen Seiten. Die Hamburgische Architektenkammer und die Hamburgische Ingenieurkammer-Bau fürchten um die künftige Ausbildungsqualität der Bauakademiker. »Eine Großstadt wie Hamburg steht vor Herausforderungen, die ohne den Sachverstand hochqualifizierter Architekten, Ingenieure und Stadtplaner gar nicht bewältigt werden können«, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

Die Linksfraktion im Rathaus fordert den Erhalt der Eigenständigkeit der HCU sowie eine ausreichende finanzielle Ausstattung. Auch die Grünen wenden sich gegen eine mögliche Fusion. »Das Problem ist die Unterfinanzierung der Hochschulen – nicht die Hochschulstruktur. Eine Fusion löst nicht die Probleme. Wir brauchen mehr Geld für Wissenschaft und Forschung«, erklärte deren hochschulpolitische Sprecherin Eva Gümbel.

Frist bis Ende September

Den Vorschlag einer Zusammenlegung hatte zunächst die neu im Rathaus vertretene FDP in die Diskussion gebracht – bei der SPD stieß er auf offene Ohren. Für die CDU hingegen kommt ein Aus für ihr eigenes Vorzeigeprojekt nicht in Frage. »Die Politik sollte nicht den Fehler machen, mit einer solchen Strukturdiskussion erfolgreiche Hochschulen gegeneinander auszuspielen. Die HCU ist eine Bereicherung für den Hochschulstandort Hamburg«, erklärte Thilo Kleinbauer, der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU.

Wie es mit der Hafencity-Universität tatsächlich weitergeht, scheint derzeit noch offen. Die SPD-Fraktion will bis Ende September eine abschließende Position finden.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!