Ablasshandel für zwei Milliarden?

Deutsch-schweizerisches Steuerabkommen legalisiert Schwarzgeld und wahrt die Anonymität

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter dem Schutz des Schweizer Bankgeheimnisses haben wohlhabende Deutsche seit Jahrzehnten Milliarden gebunkert – und streichen Zins und Dividendeneinkünfte zulasten der deutschen Finanzämter steuerfrei ein. Damit soll nun Schluss sein. Mit einem Steuerabkommen könnte der jahrelange Konflikt zwischen beiden Ländern beendet werden.
Protestaktion von Campact in Berlin gegen den Steuerdeal
Protestaktion von Campact in Berlin gegen den Steuerdeal

Unversteuertes Vermögen von Deutschen, das in der Schweiz versteckt ist, soll nachträglich besteuert werden. Dies ist der Inhalt eines Doppelbesteuerungsabkommens, das von den Finanzstaatssekretären beider Länder am Mittwoch in Bern unterzeichnet wurde. Darin werden vor allem zwei Probleme geregelt: die Frage nachträglicher Versteuerung der seit Jahrzehnten in Zürich und Basel angehäuften Vermögen zugunsten des deutschen Fiskus sowie die Höhe der künftigen jährlichen Steuerzahlungen. Das Abkommen soll Anfang 2013 in Kraft treten.

Momentan liegen nach Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft (DStG) etwa 150 Milliarden Euro an deutschem Schwarzgeld in der Schweiz. Dafür sollen die dortigen Banken eine Einmalzahlung in Höhe von zwei Milliarden Schweizer Franken (aktuell gut 1,9 Milliarden Euro) leisten, womit die Steuerausfälle des deutschen Fiskus abgegolten wären. Konkret soll nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen das Schwarzgeld – je nach Einkommensart – zu Steuersätzen zwischen 19 und 34 Prozent nachversteuert werden. Die Garantiesumme der Schweizer Banken wird dann mit Einnahmen aus der Nachversteuerung verrechnet. Die Steuerflüchtlinge bleiben aber weiterhin anonym. Für künftige Kapitalerträge in der Schweiz müssen deutsche Anleger eine ebenfalls anonyme Quellensteuer entrichten, die mit 26,375 Prozent genauso hoch wie die in Deutschland fällige Abgeltungsteuer plus Solidaritätszuschlag wäre. Mit welchen Einnahmen die deutschen Finanzämter rechnen können, ist aber völlig unklar.

Die Deutsche Steuergewerkschaft, in der sich Finanzbeamte organisieren, spricht von einem schnöden »Ablasshandel«: Das Abkommen stelle faktisch eine Amnestie für langjährige Steuervergehen dar und sei zugleich ein Verzicht auf Hoheitsrechte, denn schließlich werde die Erhebung der Abgeltungsteuer nicht vom deutschen Fiskus, sondern von Schweizer Banken abgewickelt. Für den neuen DStG-Vorsitzenden Thomas Eigenthaler wirft der Steuerdeal daher sogar »verfassungsrechtliche Probleme« auf.

Schweizer Geldhäuser zeigen sich derweil zufrieden: Die deutschen Vermögen würden endlich legalisiert, Bankmitarbeiter in Frankfurt am Main, denen schon mal Beihilfe zur Steuerflucht vorgeworfen wird, entkriminalisiert. Vor allem wäre ein von der EU geforderter automatischer Informationsaustausch endgültig vom Tisch – ein Ende des Bankgeheimnisses fürchtet die eidgenössische Finanzwirtschaft wie der Teufel das Weihwasser, kommentiert die Zürcher »Sonntagszeitung«. Die Schweiz bliebe, was sie ist: ein attraktives Fluchtziel auch für Schwarzgeld, denn die Anonymität der Kunden bleibt bestehen. Ein ähnliches Abkommen steht mit Großbritannien vor dem Abschluss, mit Frankreich und Italien verhandelt Bern.

Obwohl die Schweizer Institute für die Legalisierung der Altvermögen weniger bezahlen müssen als befürchtet, streiten die Spitzen der Banken heftig darüber, wer wie viel zur Garantiezahlung beisteuern muss. Anders als bei UBS, Credit Suisse, Julius Bär, Vontobel, den Genfer Privatbanken sowie vielen Auslandsbanken ist der Anteil ausländischer Kunden bei den meisten Kantonal-, Regional- und Raiffeisenbanken sehr gering. Diese Institute sind daher nicht bereit, sich an den Garantiezahlungen zu beteiligen.

Aus der Opposition in Deutschland kommt Kritik am zu niedrigen Steuersatz. Da Bundestag und Bundesrat dem Abkommen zustimmen müssen, könnte die Länderkammer, in der die Opposition eine Mehrheit hat, den Ablasshandel von Schäuble nach der Sommerpause noch zu Fall bringen.

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