Konstanzer Rechtgläubigkeit

Die CDU am Bodensee macht gegen Papstkritiker mobil und beschwert sich beim Regierungschef

  • Holger Reile, Konstanz
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Initiative »Freiburg ohne Papst« (FoP) macht seit Wochen mit ihrer Kritik gegen den bevorstehenden Papst-Besuch in der Stadt von sich reden. Auch in Konstanz, ebenfalls Baden-Württemberg, ist der Streit angekommen. Die dortige CDU macht Front gegen einen der FoP-Aktivisten. Denn man erhofft sich einen Papstbesuch in der Stadt zum Jubiläum des Konstanzer Konzils im Jahr 2014.

Der bevorstehende Papstbesuch erregt in unterschiedlicher Form bundesweit die Gemüter. Am 24. und 25. September wird Benedikt XVI. in Freiburg erwartet. Dort will er einen Vortrag halten, auch ein Eintrag ins Goldene Buch der Stadt ist geplant. Das hat dazu geführt, dass sich im Vorfeld die Initiative »Freiburg ohne Papst« (FoP) gegründet hat, die seit Wochen vehement gegen den Besuch des Oberhaupts der katholischen Kirche protestiert. Der Papst, so ist in einem Aufruf zu lesen, stehe für eine »menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik« und verletze mit »seinen Positionen grundlegende Menschenrechte«.

Und weiter: »Wir wenden uns gegen den Papst als einen der Hauptverantwortlichen für die Unterdrückung von Lesben, Schwulen und Transgender in der ganzen Welt.« Nicht ohne Grund, denn Papst Benedikt bezeichnete die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare als »Legalisierung des Bösen«. Andere FoP-Unterstützer kritisieren zudem die immensen Kosten, die durch den Papstbesuch entstehen. Mindestens fünf Millionen Euro fallen alleine für die Sicherheitsvorkehrungen der baden-württembergischen Polizei an.

Der Protestaktion haben sich mittlerweile mehr als 1500 Personen angeschlossen, darunter auch Prominente wie Uta Ranke-Heinemann, Klaus Theweleit, Ralf König, Jacques Tilly und die Bundestagsabgeordneten Karin Binder (LINKE) und Till Seiler (Grüne). Gerade das Engagement des Grünen Till Seiler treibt nun christdemokratische Politiker aus dem Landkreis Konstanz gewaltig um.

Grüner unter Druck

Die Konstanzer CDU-Stadträte Roger Tscheulin und Wolfgang Müller-Fehrenbach beschwerten sich kürzlich beim baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). Sie forderten den mittlerweile praktizierenden Katholiken auf, er möge sich von seinem Parteikollegen distanzieren: »Mit großem Bedauern haben wir die öffentliche Verunglimpfung von Papst Benedikt XVI. durch Ihren Parteifreund Till Seiler MdB zur Kenntnis genommen.« Damit, so die Beschwerdeführer, würden die religiösen Gefühle vieler Katholiken tief verletzt. Gar nicht amüsiert sind die Provinz-CDUler auch darüber, dass auf den FoP-Logos das Freiburger Münster mit einem übergestülpten Kondom verziert wurde. Kretschmanns Antwort steht noch aus.

Die Attacke gegen Till Seiler war absehbar. Der Grüne, einer der letzten Linken in seiner Partei, war bis vor Kurzem Konstanzer Stadtrat der »Freien Grünen Liste« (FGL) und brachte die Konservativen mit seiner forschen Art regelmäßig auf die Palme. Als Seiler, bis dahin Lehrer an einem Konstanzer Gymnasium, dann im Juli in den Bundestag nachrückte, geriet er sofort unter Dauerbeschuss.

Schnell grub man alte Klamotten aus, um das Sommerloch zu füllen. Im Juni hatte Seiler auf eine ironisch gemeinte Frage in einer Abitur-Zeitung ebenso ironisch verlauten lassen, nervige Schüler solle man erschießen. Da brach ein Sturm der Entrüstung los, den die örtliche Tageszeitung »Südkurier« tagelang genüsslich am Kochen hielt. Mit seinem Engagement bei »Freiburg ohne Papst«, so die CDU im Ortsblatt, habe sich der Pädagoge Seiler »erneut disqualifiziert.«

Das CDU-Mobbing hat System. Denn der bekennende Homosexuelle Till Seiler schließt nicht aus, nach der nächsten Bundestagswahl eventuell wieder in den Konstanzer Schuldienst zurückzukehren. Dem wollen die CDU-Räte am Bodensee offensichtlich schon mal einen Riegel vorschieben.

Das große Konzil-Jubiläum

Und auch aus einem anderen Grund kam den Konservativen Seilers Papst-Kritik in die Quere. Denn in Konstanz träumen sie ebenfalls von einem Papstbesuch. Spätestens 2014, wenn an das Konstanzer Konzil (1414-1418) erinnert werden soll, hofft man auf eine Visite des Kirchenführers aus Rom.

Der Konstanzer Oberbürgermeister Horst Frank hat den »Heiligen Vater« bereits eingeladen. Da mag man kritische Stimmen nicht hören. Denn schließlich, so Frank, würden die Konzilfeierlichkeiten dazu führen, »dass Konstanz endlich auf der europäischen Landkarte einen Platz findet«.

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