Es gehört inzwischen zu den Gepflogenheiten des populärwissenschaftlichen Magazins »P.M.«, bewährten Theorien die Legitimation zu bestreiten. Im April diesen Jahres stand der Darwinismus als vermeintlich verstaubtes Relikt aus dem 19. Jahrhundert auf der Abschussliste - in einem, wie der Kasseler Biologe Ulrich Kutschera meint, »sehr schlecht recherchierten Artikel«. In seiner Juli-Ausgabe nun wartet »P.M.« mit einer weiteren Sensation auf: Menschen lebten womöglich schon zur Zeit der Saurier!
Kreationisten wird's freuen. Denn die glauben fest an den Wortlaut der Bibel und sind überzeugt: Gott hat Menschen und Saurier gleichzeitig erschaffen. Erst als die große Sintflut kam, gingen die riesenhaften Reptilien allesamt unter, während der Mensch sich in Gestalt Noahs zu retten vermochte. Aber auch der »Berliner Kurier« sah sich nach den jüngsten »P.M.-Enthüllungen« zu der Frage veranlasst, ob die Frühgeschichte der Menschheit nun komplett umgeschrieben werden müsse.
Grund für diese Irritation sind einige mysteriöse Fußspuren im Tal des Paluxy Rivers in Texas, die belegen sollen, dass Dinosaurier und Menschen Fußabdrücke in den gleichen geologischen Schichten hinterlassen haben. Danach sei es denkbar, schreibt »P.M.«, dass Saurier und Menschen zur selben Zeit durch die Kreideformation am Paluxy River wanderten. Mit der Erklärung: »In unserer Wissenschaft ist nichts unmöglich« wird im selben Artikel auch der derzeit bekannteste deutsche Paläoanthropologe Friedemann Schrenk zitiert. Ob dieser sich dabei allerdings auf die Paluxy-Spuren bezieht, geht aus dem Text nicht eindeutig hervor.
Anzunehmen ist es eigentlich nicht. »Denn einige dieser Spuren sind längst als Fälschungen entlarvt worden«, sagt Kutschera. »Dabei wurden natürliche Einsenkungen im versteinerten Untergrund nachträglich ausgekratzt.« Hierfür spricht vor allem, dass die angeblichen Trittsiegel keine Verformungen des Bodens erkennen lassen, wie sie eine mechanische Belastung notwendigerweise nach sich zöge. Bei den anderen Spuren handelt es sich mit hohen Wahrscheinlichkeit um Fußabdrücke von schmalbeinigen dreizehigen Dinosauriern. Ironischerweise verdanken wie diese Einsicht einem ehemaligen Kreationisten, Glen Kuban, der 1979 die Echtheit der Paluxy-Spuren zu beweisen versuchte. Stattdessen stellte er fest, dass die vermeintlichen Menschenspuren vorne zu breit und außerdem viel zu groß für einen menschlichen Fuß sind. Wie kamen die Abdrücke aber dann zustande? Vermutlich war die mittlere Zehe eines Saurierfußes tiefer in das Sediment eingedrungen als die Seitenzehen, die daher schneller verwitterten.
Bis heute gibt es nicht den geringsten Beweis für ein Zusammenleben von Sauriern und Menschen. Wie sollte man sich diese Koexistenz auch vorstellen? »Hätte die Spezies Homo sapiens gemeinsam mit Fleisch fressenden Raubsauriern etwa der Gattung Allosaurus gelebt, wären unsere Vorfahren rasch ausgerottet worden«, betont Kutschera. »Denn gegen diese agilen Riesenechsen hätten Menschen keine Chance gehabt.« Und ein zweiter erfolgreicher Anlauf zum Homo sapiens kann ausgeschlossen werden.
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