CO2 unter der Nordsee
BUND-Studie kritisiert Pläne der Bundesregierung
Kohlekraftwerke haben gegenwärtig Konjunktur. Betrieben mit billiger Kohle haben sie einen Nachteil: Sie stoßen klimaschädliches Kohlendioxid aus. Technisch ist es mittlerweile durch die CCS-Technik möglich, aus dem Rauchgas das CO2 abzuscheiden und unterirdisch einzulagern. Das kostet allerdings zusätzlich Energie, weil sich der Wirkungsgrad der Kraftwerke damit verschlechtert.
CCS steht für Carbondioxide Capture and Storage (sinngemäß: Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid). Da es in betroffenen Regionen zunehmend Widerstand gegen die Einlagerung des Klimagases gibt, könnte es nach Vorhaben der Bundesregierung ab etwa 2030 im Meeresboden der Nordsee gespeichert werden. Doch auch dagegen gibt es Proteste.
Das Fazit der BUND-Studie unterstützt die Ablehnung: Durch Verpressung von CO2 in den Meeresboden der Nordsee könnte das in diesen Schichten befindliche »salzhaltige Formationswasser« verdrängt werden und ins Meerwasser gelangen – mit verheerenden Folgen, so der Geologe Dr. Ralf Krupp: »Bedeutende Laichgebiete, aber auch sämtliche am Meeresboden vorhandene Lebewesen und bodenlebende Fischarten würden Schaden nehmen.« Das Formationswasser, das sich in den Erdschichten unter der Nordsee befindet, fällt etwa auch bei Erdöl- und Gasbohrungen an und belastet das Meer zusätzlich.
Zudem könnte der Druck, den die Einlagerung auf die umliegenden Erdschichten ausübt, sich noch 100 Kilometer weiter auswirken. »Dadurch könnten auch dort saline Formationsgewässer nach oben gedrückt werden und in Süßwasser führende Grundwasserstockwerke eindringen, diese versalzen und für die menschliche Nutzung unbrauchbar machen«, erklärt Krupp.
Darüber hinaus sind mit der Einlagerung von riesigen Mengen Kohlendioxid weitere unkalkulierbare Risiken verbunden, erklärte BUND-Meeresschutzexpertin Nadja Ziebarth: »Bei einem CO2-Leck käme es zu einer Übersäuerung des Meerwassers mit der Folge, dass etwa kalkhaltige Riffstrukturen in der Nordsee zerstört werden.«
Ein weiteres Problem stellt aus Sicht der Wissenschaftler die technische Umsetzung dar. Denn das Kohlendioxid müsste per Rohrleitung über mehrere hundert Kilometer zu einer Bohrplattform geführt werden. Krupp: »Alle paar Kilometer müssten Booster-Stationen dafür sorgen, dass das Gas weiterfließt.« Und diese Stationen »fressen enorm viel Energie«. Zudem müssten die Pipelines durch den geschützten Nationalpark Wattenmeer geführt werden.
Geologe Krupp bringt auch rechtliche Bedenken vor, denn die Bundesrepublik ist durch internationale Abkommen gebunden, »Schäden oder Gefahren nicht von einem Gebiet in ein anderes zu verlagern oder eine Art der Verschmutzung nicht in eine andere umzuwandeln«. Genau dies sei aber bei CCS der Fall.
Mit der Kampagne will der BUND auf die bevorstehende Beratung des CCS-Gesetzes einwirken, das am 23. September im Bundesrat zur endgültigen Entscheidung ansteht. Damit soll eine entsprechende EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Aus Sicht von BUND-Expertin Tina Löffelsend sei die Übernahme der EU-Richtlinie rechtlich nicht zwingend notwendig, zumal ein Land wie Österreich die Umsetzung bereits verweigert habe.
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