Indigener Umweltprotest unter Verdacht

Boliviens Regierung verurteilt »permanenten Kontakt« von Straßenbaugegnern zur US-Botschaft

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit dem 15. August sind in Bolivien Indigene unterwegs, um mit einem 600-Kilometer-Protestmarsch gegen den Bau einer Straße zu protestieren, die durch ihre Territorien verlaufen soll. Die Regierung unter Präsident Evo Morales ist davon alles andere als begeistert und wirft den Indígenas dubiose Kontakte zur Opposition und zur Botschaft der USA vor.

Der Streit um eine Autobahn in Bolivien nimmt internationale Dimensionen an: Am Dienstag forderten Abgeordnete der Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (MAS) die »Ausweisung« der US-Entwicklungshilfeorganisation USAID. Fraktionschef Edwin Tupa warf USAID »Konspiration gegen die Regierung« vor. Der Zankapfel selbst ist innerbolivianisch. Es geht um ein Prestigeprojekt der Linksregierung: eine Autobahn quer durch das »Indigene Territorium Nationalpark Isiboro Sécure« (TIPNIS). Gegen dieses Vorhaben hat sich seit 15. August ein Protestmarsch von rund 1000 indigenen Gegnern formiert.

Für Boliviens Präsident Evo Morales ist die Sache klar: In der sonntäglichen Sendung »Das Volk ist die Nachricht« beschuldigte Morales die Organisatoren des »5. Indigenen Marsches zur Verteidigung der Mutter Natur« der Zusammenarbeit mit der USA-Botschaft. Als Beweis legte der Regierungschef Verbindungsnachweise von Telefongesprächen führender Funktionäre des Verbandes der indigenen Tieflandbevölkerung (CIDOB) und des Indigenen Nationalen Rates der Ayllus und Markas von Qullasusyu (CONAMAQ) vor. Die Nummern habe man »auf legalem Weg« durch richterliche Erlaubnis von der Telefongesellschaft erhalten, hieß es am Montag aus Morales' Amtssitz im Palacio Quemado.

Ziel der Regierungsgegner sei das »Verhindern nationaler Entwicklung« sowie das Anheizen eines »Konflikts zwischen Tiefland und Hochland«. Das Umwelt-Thema sei »national und international angeheizt« worden, konstatierte Morales eine ungewohnt breite Berichterstattung über Bolivien.

Die USA-Botschaft wies die Vorwürfe am Montag zurück. Gespräche mit »diversen Sektoren der Zivilgesellschaft« seien »normal und angemessen«. CONAMAQ-Vorsitzender Rafael Quispe erklärte hingegen, bei den Gesprächen habe es sich um »Visa-Angelegenheiten« gehandelt. Der Berater von CIDOB-Chef Adolfo Chávez und TIPNIS-Funktionär, Fernando Vargas, nannte die Morales-Vorwürfe einen »Akt der Verzweiflung«, immer mehr Menschen würden sich der Demonstration anschließen.

Jüngsten Medienberichten zufolge ist auch Boliviens rechtskonservative Tiefland-Opposition auf den Naturschutzzug aufgesprungen. Während der Ausarbeitung der neuen Verfassung zwischen 2006 und 2009 führte sich die Tiefland-Elite noch als erbitterter Gegner indigener Rechte auf. Nun wehen auf dem von einem Heer von Journalisten begleiteten Protestmarsch Spruchbänder mit Aufschriften wie »Keine Koka im TIPNIS« und »Respekt für die Rechte indigener Völker«. Auch die rechte Tiefland-Partei Nationaler Zusammenhalt (CN) solidarisierte sich mit den Straßenbau-Gegnern.

Seit Wochen stellen sich CIDOB und CONAMAQ gegen das umstrittene 177 Kilometer lange »Teilstück II« einer Verbindungsstraße zwischen dem Hochland-Departamento Cochabamba und Beni im Tiefland. Illegale Rodung, Koka-Anbau und Besiedlung würden das Reservat von der Größe Jamaikas in seiner Existenz bedrohen. Vor allem CONAMAQ wird kritisch eingeschätzt. In den Volksprotesten gegen die neoliberalen Vorgängerregierungen habe CONAMAQ »eine marginale Rolle« gespielt, sagt der Ökonom und Journalist Pablo Stefanoni. Der Exdiktator und spätere Präsident Hugo Bánzer (1997 - 2002) habe sich CONAMAQ »untergeordnet« und so einen »multikulturellen Neoliberalismus« ermöglicht, attestiert Stefanoni.

Mehrfache Gesprächsangebote über Alternativ-Routen und Umweltfolgenabschätzungen hatte die CIDOB-Spitze abgelehnt, zuletzt ein Treffen mit Morales in La Paz. Entspannung ist nicht in Sicht.

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