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Medaillen zählen ist unwichtig

Bei den heute startenden WM von Daegu sollen deutsche Leichtathleten eigene Grenzen angreifen

  • Ulrike John und Ralf Jarkowski, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Den Schwung von Berlin wollen sie irgendwie mitnehmen in Richtung Olympia 2012 in London. Zwei Jahre nach dem erfolgreichen Heimspiel muss sich das verjüngte deutsche Leichtathletikteam bei den Weltmeisterschaften in Südkorea bewähren. Die Verbandsfunktionäre scheuen vor dem heutigen Auftakt eine Medaillenprognose und nehmen Klagen über die Bedingungen im Trainingslager gelassen.

»Unser Maßstab sind zunächst nicht die Medaillen. Für uns ist wichtig, dass möglichst viele an ihre Leistungsfähigkeit herankommen und sie auch übertreffen«, sagte Günther Lohre, Vizepräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) gestern in Daegu.

Gleich neun Neulinge stehen in der 72-köpfigen Mannschaft, das Durchschnittsalter liegt bei 25,5 Jahren. »Wir haben eine sehr junge, sehr schlagkräftige Mannschaft am Start«, betonte Verbandschef Clemens Prokop. Für Lohre ist die Wettkampferfahrung, die Talente bei einer WM sammeln können, extrem wichtig: »Man tut sich beim zweiten Mal viel leichter«, sagte er.

2009 in Berlin hatten die DLV-Asse neunmal Edelmetall geholt. Diskus-Riese Robert Harting ist der einzige Titelverteidiger am Start. Für Lohre ist zumindest in einem Punkt eine Steigerung gegenüber Berlin drin: »Trotz der Medaillen haben dort relativ wenige ihr eigentliches Potenzial erreicht. Ich hoffe, dass uns dies in diesem Jahr gelingt.«

Ausgerechnet die größte Titelhoffnung des DLV, Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler, hatte kurz vor dem WM-Startschuss für Aufsehen gesorgt: Die Frankfurterin reiste gestern vier Tage früher als geplant vom Trainingscamp auf der südkoreanischen Ferieninsel Jeju nach Daegu. »Wenn man dann so schlechte Trainingsbedingungen hat und nur improvisieren muss, ist man angefressen. Wir wirken da entgegen«, sagte die Goldmedaillen-Gewinnerin von Osaka 2007. Sie hatte unter anderem darüber geklagt, dass die Hammerwurfanlage uneben sei.

Man könne es, so Lohre, bei so einer großen WM nicht jedem recht machen. »Ich denke, insgesamt war das Trainingslager richtig gut. Ich hoffe, dass sich das auch auf die Leistungen positiv auswirkt.« Hammerwerfer Markus Esser erklärte: »Mich hat das weniger gestört. Wir können eben nicht alles, was wir in Deutschland haben, auf die Insel rüberbringen.«

Am ersten WM-Wochenende sind die deutschen Medaillenchancen dünn gesät. Nadine Müller (Halle/Saale) geht als Dritte der diesjährigen Weltbestenliste mit 66,99 Meter in den Diskusring und darf auf den großen Wurf hoffen, zumal sie zuletzt in Kienbaum hart trainieren konnte: »Rund 200 Würfe, alle volle Kanne, sind da zusammengekommen. Am Ende der Einheiten haben sich die Beine ziemlich wackelig angefühlt.« Vor dem Finale am Sonntag ist Müller aber vorsichtig, da sie schon bei der EM 2010 in Barcelona als Achte enttäuscht hatte: »Mein Ziel ist es, unter die Top 6 zu kommen.«


Zahlen & Fakten

  • Die WM wird in rund 200 Ländern im Fernsehen übertragen. Nach langem Ringen um Übertragungsrechte zeigen ARD und ZDF die Titelkämpfe im täglichen Wechsel live. Eurosport ist bei allen Wettbewerben live dabei.
  • Gemeldet sind 1945 Teilnehmer aus 202 Verbänden der IAAF.
  • Erstmals startet mit dem Südafrikaner Oscar Pistorius ein Athlet mit Beinprothesen. In der 4 x 400-m- Staffel darf er aus Sicherheitsgründen nur als Startläufer antreten.
  • Nach Angaben des Organisationskomitees wurden 97 Prozent aller Eintrittskarten verkauft.
  • 47 Entscheidungen stehen im Programm. Die Marathonläuferinnen machen den Anfang, nach den 5000 m der Männer ist am 4. 9. Schluss.
  • 60 Dopingfälle gab es in der WM-Historie. 16 Goldmedaillen wurden aberkannt. Vor dieser WM fielen Stars wie die Sprinter Steve Mullings (Jamaika) und Mike Rodgers (USA) durchs Raster. Alle Athleten werden in Daegu einem Bluttest unterzogen.
  • Die 36-jährige portugiesische Geherin Susana Feitor startet als erste Athletin bei ihrer elften WM.
  • 100 000 Dollar Prämie erhält jeder Athlet für einen Weltrekord. Für den Titel gibt es 60 000 Dollar, Platz acht ist noch 4000 Dollar wert.
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