Millionen für die Krankenkassen

Die Bürgerinnen- und Bürgerversicherung wäre für die Mehrheit der Versicherten billiger

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz hoher Krankenkassenbeiträge kann man ohne gefüllte Geldbörse heute kaum zum Arzt oder Apotheker gehen. Daran haben sich die Menschen inzwischen gewöhnt, denn Politiker hämmern ihnen seit Jahren ein, dass Gesundheit immer teurer werden muss. Die Linkspartei ließ nachrechnen und heraus kam: Es könnte auch billiger gehen – jedenfalls für den Großteil der Versicherten.

Gesetzlich Krankenversicherte hatten in den letzten Jahren nichts zu lachen. Praxisgebühren und Zuzahlungen nahm man ihnen ab. Medikamente wurden teurer, Leistungen klammheimlich gestrichen und die Beiträge erhöht. Zuletzt erhoben einige Krankenkassen noch Zusatzbeiträge. Und es soll noch schlimmer kommen, erklären Politiker und Wissenschaftler gebetsmühlenartig.

Nicht so der Ökonom Klaus Bartsch, der im Auftrag der Linksparteifraktion im Bundestag in einer Studie simulierte, wie sich das Konzept einer Bürgerinnen- und Bürgerversicherung auf die Entwicklung der Beitragssätze in der Gesetzlichen Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung auswirken würde. Das Ergebnis wurde gestern in Berlin vorgestellt: Der gegenwärtige GKV-Beitragssatz von 15,5 Prozent könnte um rund ein Drittel auf 10,5 Prozent sinken. 60 Prozent aller Versicherten würden weniger bezahlen, vor allem Gering- und Durchschnittsverdiener sowie Rentner. Wer 1500 Euro im Monat verdient, zahlt statt 123 Euro nur 78,75 an seine Krankenkasse, die Rentnerin mit 1000 Euro Rente spart 27,50 und bei einem Monatseinkommen von 5000 Euro spart man immerhin noch 42 Euro. Für Menschen mit einem Einkommen von über 5800 Euro im Monat wird es teurer. Superreiche wie der Aldi-Mitbegründer Karl Albrecht oder der Versandhausunternehmer Michael Otto haben die schlechtesten Karten. Sie würden Krankenversicherungsbeiträge in Millionenhöhe zahlen. Warum auch nicht, meint die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Martina Bunge. Für sie beweist die 123 Seiten lange Studie, dass die gegenwärtigen Kostensteigerungen im Gesundheitssystem, die vor allem den Versicherten allein aufgebürdet werden, nicht alternativlos sind. Der von den Regierungsparteien geplante Kapitalstock für die Reform der Pflegeversicherung wäre nicht nötig und es gebe sogar Spielraum für Leistungsverbesserungen, so Bunge.

Doch nicht nur die Krankenkassen hätten mit der Bürgerversicherung mehr Geld auf dem Konto, auch die Versicherten. Bei kleinen Einkommen fließe das fast vollständig in den Konsum, heißt es im Fazit der Untersuchung. Höhere Kaufkraft bewirke eine stärkere Binnennachfrage, eine halbe Million Menschen bekäme zusätzlich eine dauerhafte Beschäftigung. Darüber hinaus sei diese Form der Finanzierung gerecht, weil sie genau die Einkommen heranzöge, die am schnellsten wachsen: Gewinne und Kapitalerträge.

Besserverdienenden wird das Konzept vermutlich schwer im Magen liegen und die privaten Krankenversicherer werden alles tun, um ihre Branche vor der Abschaffung zu schützen. Doch ganz soweit ist es noch nicht. Jetzt beginnt für die LINKE die Suche nach Verbündeten. Gewerkschaften und Sozialverbände haben schon ihre Zustimmung signalisiert.


Bürgerversicherung

  • Alle Menschen zahlen den gleichen Prozentsatz in eine Versicherung ein.
  • Angerechnet wird das gesamte Einkommen, auch Kapitaleinkünfte.
  • Der Arbeitgeber zahlt die Hälfte des Beitrags.
  • Praxisgebühr, Zuzahlungen und Zusatzbeiträge werden abgeschafft.
  • Die private Krankenversicherung wird abgeschafft.
  • Das Leistungsniveau in der Pflege wird deutlich angehoben.
  • Die Sachleistungsbeträge in der Pflege werden um 25 Prozent erhöht.

Quelle: Fraktion DIE LINKE

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