Proteste beschränken sich auf Kundgebung

Europäische Gentechniklobby trifft sich mal wieder in der Börde – und wird immer skurriler

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 2 Min.
Der gesellschaftliche Konflikt um die genetische Manipulation von Pflanzen eskaliert nun auch verbal. Heute und morgen stehen sich die Antipoden in Üplingen direkt gegenüber.

Eigentlich sollte der Protest gegen die jährliche Konferenz des Lobbyvereins Innoplanta stärker ausfallen als in den Vorjahren. Doch »die Massenmobilisierung funktioniert nicht«, wie Jörg Bergstedt berichtet. Der hessischer Mitorganisator der Proteste sieht die Lage in der Magdeburger Börde als »vollkommen hoffnungslos« an. Auch »größere Organisationen« seien nicht auf die Mobilisierung angesprungen. Folglich werde es heute und morgen kein Protestcamp geben wie 2010, sondern nur Kundgebungen vor dem Schaugarten, in dem sich die Gentechniklobby aus mehreren europäischen Ländern trifft.

Auf der Gegenseite ist der Unmut jedoch mittlerweile eskaliert. Zum Teil geschah das als Reaktion auf zwei Feldzerstörungen bei Rostock und in Üplingen Anfang Juli, als erstmals auch Sicherheitsleute mit Pfefferspray bedroht wurden. Andreas Sentker, Ressortchef Wissen bei der Wochenzeitung »Die Zeit«, betitelte daraufhin seinen völlig einseitigen Artikel zu den Überfällen mit »Ökoterrorismus« (was in der Onlineversion über 300, zumeist kritische Kommentare nach sich zog). Der bekennende Gentechnikfan bekommt nun in Üplingen den Innoplanta-Journalismuspreis verliehen.

Ebenfalls einen Preis bekommt Reinhard Szibor von der Universität Magdeburg. Er sprach damals von »Terrorismus fördernden Hasskampagnen in unserem Lande«, und zwar in einem (neuerlichen) umstrittenen Leserbrief an die Regionalzeitung »Volksstimme«, der mehr Platz erhielt, als der Artikel, den Sie gerade lesen. Darin zitierte Szibor auch den Schweizer Botaniker und Lobbyisten Klaus Amman, dass es »dann auch gut ins Bild passen würde, die einschlägigen wissenschaftlichen Bücher zu verbrennen«.

Besagter Amman tritt ebenfalls auf der Konferenz auf, mit einem Vortrag. Ihn zitierte die Zeitschrift »Gen-ethischer Informationsdienst« im Juni mit der Aussage, die Gentechnikkritiker seien so dialogunfähig, dass er eine »ökofaschistische Grundhaltung« erkenne. Sich selbst nannte er, da er häufig attackiert und denunziert würde, einen »Genjuden«.

Gegenüber ND bekräftigt Amman diese Aussagen. Er bezieht sich dabei auf Wilhelm Reichs zuerst 1933 erschienenes Buch »Die Massenpsychologie des Faschismus«. Die dort beschriebenen Phänomene seien auch heute noch virulent. »Die Nichtarier aus jener Zeit sind heute Wissenschaftler, die Geld von der Industrie nehmen«, so der Emeritus. Anti-Gentech-Gruppen seien »faschistoid«. Der Einwand, bei Reich gehe es um das Verschwinden von Individualität in einer fanatisierten Masse, wovon bei Ökogruppen nicht die Rede sein könne, ficht ihn nicht an: »Ich meine das nicht naiv. Ich habe mich differenziert ausgedrückt.«

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