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Gewachsene mentale Stärke reicht nicht aus

Leichtathletik: Das WM-Abschneiden in Daegu liegt tendenziell auf dem Level der Vorjahre

Es ist schon erstaunlich, wie weit sich die Verantwortlichen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes aus dem Fenster lehnen, wenn sie Bilanz über das deutsche Abschneiden bei den WM im südkoreanischen Daegu ziehen und dabei schon mal ins nächste Jahr mit den Olympischen Spielen in London blicken. Die Prognose: Ein Desaster wie 2008 in Peking (einmal Bronze) oder wie 2004 in Athen (zweimal Silber) wird unisono kategorisch ausgeschlossen.

Es wäre der deutschen Leichtathletik zu wünschen, dass die seit 2008 auf allen Ebenen intensivierten Bemühungen des DLV auch bei Olympia Früchte tragen. Schließlich stammen die beiden letzten Olympiasieger mit Heike Drechsler (Weitsprung) und Nils Schumann (800 Meter) aus dem Jahr 2000.

In einem Punkt ist nach den WM in Daegu dem DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen beizupflichten, wenn er von einer »gewachsenen mentalen Stärke der Athleten« spricht. Sie ist eine wichtige Voraussetzung, um das vorhandene Leistungspotenzial auch tatsächlich im Wettkampf umzusetzen, was schließlich zu einem besseren olympischen Abschneiden in London 2012 führen könnte.

Ohne Augenwischerei ist indes festzuhalten: Das WM-Abschneiden von Daegu liegt tendenziell auf gleichem Level wie bei den Welttitelkämpfen in den Jahren zuvor (siehe nebenstehende Medaillenbilanz seit 2000). Auflistungen des Verbandes, wonach in Daegu 20 Platzierungen unter den besten Acht lagen und 28 Athleten unter die Top-12 kamen – summa summarum über 50 Prozent der in den Einzeldisziplinen nominierten deutschen Starter –, sind ein erfreulicher Anhaltspunkt beim Blick nach vorn – doch nicht mehr und nicht weniger. Denn Fakt ist auch: Nur 15 Athleten erzielten beim Saisonhöhepunkt Bestleistungen!

Es wird sich auch für London nichts daran ändern, dass der DLV in allererster Linie auf die Werfer (Diskus, Hammer, Speer) und Stoßer (Kugel) setzen muss, wenn er überhaupt etwas zu bestellen haben will. Ob da noch der eine oder andere aus dem Sprungbereich (Hoch, Weit, Stab) dazukäme, ist zu hoffen, aber vage.

So sehr sich der DLV auch bemüht, Talente im Laufbereich zu entwickeln – der Erfolg ist eher mäßig. Wenn nun der DLV-Sportdirektor darauf verweist, dass »bei den Läufern international eine ganz andere Leistungsdichte zu verzeichnen ist als bei den Werfern«, so ist das nur die halbe Wahrheit. Denn im Kern bedarf es hierzulande – nicht nur im populären Sprintbereich – einer neuen Trainingsqualität und völlig neuer Trainer. Dieser Neuanfang ist aber nicht über Nacht hinzubekommen. So bleibt trotz des unterm Strich guten Abschneidens in Daegu nur die zarte Hoffnung zurück, dass es 2012 besser werden könnte.

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