Damaskus forciert Dialog

Weitere Treffen mit Opposition / Zahlen über Todesopfer vorgelegt

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einer weiteren Runde von Nationalen Dialogtreffen will die syrische Regierung ihren eingeleiteten Reformkurs mit Leben erfüllen. Bei Treffen in den Provinzen von Damaskus, Daraa und Lattakia sowie an den zwei großen Universitäten Tishreen und Damaskus kamen am Sonntag hunderte Vertreter der Zivilgesellschaft, von Parteien und Gewerkschaften sowie Unabhängige, Akademiker, Oppositionelle und Abgesandte von Regierungsseite zusammen, um über die weitere Entwicklung des Landes zu debattieren.

Medienberichten zufolge standen neben den politischen wirtschaftliche und soziale Themen im Vordergrund. Ein gerechtes Steuersystem und der Kampf gegen Korruption seien ebenso debattiert worden wie ein besseres Bildungs- und Ausbildungssystem, hieß es in einem Bericht der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA. Immer wieder wurden Teilhabe und gleiche Chancen für alle gefordert.

Nabil Farhat, ein unabhängiger Teilnehmer der Debatte, wird von SANA mit den Worten zitiert, dass die vorherige Regierung zu 50 Prozent für die aktuelle Wirtschaftskrise verantwortlich sei. 2006 bis 2011 hatte der frühere stellvertretende Ministerpräsident für wirtschaftliche Angelegenheiten Abdullah al-Dardari eine strikte Liberalisierungspolitik verfolgt. Farhat nannte auch die ausländischen Sanktionen als Grund für wirtschaftliche Probleme. Der als Oppositioneller bezeichnete Kamal Shaheen sagte, die »Monopolisierung der Macht, Korruption in der Rechtsprechung und bei den Justizbehörden sowie zunehmender religiöser Extremismus« hätten Syrien in eine »wirkliche Krise« gestürzt.

Die unabhängige Tageszeitung »Al Watan« schrieb, dass auch über eine neue Verfassung und die Amtszeit des Präsidenten debattiert worden sei. Als Grundlage einer neuen Verfassung sei an das Grundgesetz von 1950 erinnert worden. Die Amtszeit des Präsidenten solle von sieben auf fünf Jahre reduziert und auf zwei Amtszeiten begrenzt werden. Viele Redner kritisierten offenbar die Opposition, die keine Reformalternative anbiete. Einig waren sich die Teilnehmer, dass ein Dialog, der alle Teile der Gesellschaft einbeziehen müsse, der richtige Weg für den Reformprozess in Syrien sei.

Ebenso wie den Vertretern von USA und EU im UNO-Sicherheitsrat scheint auch einigen Staaten der Arabischen Liga der Reformprozess in Syrien unglaubwürdig. Unbestätigten Berichten arabischer Medien zufolge soll dem Außenministertreffen des aktuellen 136. Treffens der Liga in Kairo ein 13-Punkte-Plan für Syrien vorliegen, in dem unter anderem ein Ende der Gewalt gegen die Protestbewegung, Neuwahlen für eine »pluralistische Regierung« in drei Jahren (2014) sowie schnellere Reformen verlangt werden. Die syrische Seite soll den Bericht als »unakzeptabel und voreingenommen in der Wortwahl« zurückgewiesen haben. Der Golfkooperationsrat forderte seinerseits Syrien am Sonntag auf, sofort seine »Tötungsmaschine« gegen regierungsfeindliche Demonstranten zu stoppen und »ernsthafte Reformen« einzuleiten. Saudi-Arabien, Kuwait, Katar und Bahrain haben bereits im August ihre Botschafter aus Syrien abberufen.

Erstmals hat Syrien offiziell eine Stellungnahme dazu abgegeben, wie viele Tote die Proteste der vergangenen sechs Monate gekostet haben. Präsidentenberaterin Bouthaina Schaaban sagte vor Journalisten in Moskau, der Regierung liege eine Liste mit den Namen von 1400 getöteten Personen vor. Insgesamt 700 davon seien Soldaten und Polizisten, weitere 700 »Rebellen«. Die UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sprach derweil am Montag bei der Eröffnung der 18. Sitzung des UNO-Menschenrechtsrates in Genf von 2600 Toten. Die Zahl basiere auf »verlässlichen Quellen vor Ort«, sagte Pillay, ohne die Quellen zu nennen.

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