In Grundsatzfragen weitgehend einig

Eine Befragung im Auftrag der LINKEN belegt, dass Ost- und Westdeutsche viele sozialpolitische Forderungen teilen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Erstmals wurden im Rahmen der alljährlich durchgeführten Erhebung »Leben in Ostdeutschland« auch Einwohner Nordrhein-Westfalens befragt. Die am Dienstag präsentierten Ergebnisse zeigen, dass Ost und West bei vielen politischen Streitfragen wie Mindestlohn oder Rente mit 67 weitgehend einer Meinung sind. Doch bei vereinigungsbedingten Problemen gehen die Ansichten auseinander.

Diese Befragung hat Tradition: Seit 20 Jahren erstellt das Sozialwissenschaftliche Forschungszentrum Berlin-Brandenburg (SFZ) im Auftrag der Volkssolidarität die Erhebung »Leben in Ostdeutschland«. Damit gehört die Studie zu den längsten Datenreihen in der Sozialforschung. Weil die Ergebnisse der Befragung auch für die LINKE interessant sind, hat sie sich vor ein paar Jahren mit eingeklinkt. So konnte Linksparteichefin Gesine Lötzsch am Dienstag in Berlin bereits zum fünften Mal die Ergebnisse der Untersuchung »Leben in Ostdeutschland« präsentieren.

Allerdings gab es gestern eine Premiere: Erstmals wurden neben Ostdeutschen auch rund 1000 Einwohner Nordrhein-Westfalens befragt. Aus naheliegenden Gründen, wie Lötzsch betonte. So habe das Bundesland genauso viele Einwohner wie die neuen Länder und, ähnlich wie diese, mit den Folgen einer massiven Deindustrialisierung zu kämpfen. Die Ergebnisse der Befragungen zeigten, so Lötzsch, dass »in allen Grundsatzfragen zwischen Ost und West große Übereinstimmung« herrsche.

Etwa beim Thema Mindestlohn: 77 Prozent der Ostdeutschen und 73 Prozent der Befragten in NRW sprechen sich für die Einführung einer gesetzlichen Lohnuntergrenze aus. Noch größere Zustimmung bekommt die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Hier plädieren 91 Prozent der Ost- und 86 Prozent der Westdeutschen für ein Ende der Lohnunterschiede zwischen alten und neuen Ländern.

Gemeinsam ist den Menschen östlich und westlich der Elbe auch das Misstrauen gegen Politik und Wirtschaft. Laut Studie glaubt eine Mehrheit, dass Banken, Stromkonzerne, Pharma- und Rüstungsindustrie größeren Einfluss auf die Politik haben als Bundespolitiker. Wobei das Misstrauen im Westen teilweise noch ausgeprägter ist als in den neuen Ländern.

Und offenbar ist man nicht nur bei der LINKEN der Meinung, dass die Partei von den Medien nicht gerade bevorzugt wird. Zwar meint mehr als die Hälfte der Befragten in Ost und West, »dass Parteien teilweise von den Medien bevorzugt würden«. Doch dass die LINKE dazu gehört, glauben im Osten nur neun und in Nordrhein-Westfalen gar nur fünf Prozent. Hingegen sind 40 Prozent der Ansicht, dass die CDU bei der Medienberichterstattung auffällig oft bevorzugt werde. Einig sind die Deutschen auch in ihrer Ablehnung der Rente mit 67.

Allerdings traten auch Unterschiede zu Tage. So etwa bei der Beurteilung der Deutschen Einheit. Demnach glauben 43 Prozent der Ost- und 26 Prozent der Westdeutschen nicht, dass die Einheit erreichbar sei. Demzufolge kann es kaum überraschen, wenn weniger als ein Zehntel der Ossis der Meinung ist, dass die Einheit bereits vollzogen sei. Im Westen ist es immerhin jeder Fünfte. Interessant auch: Bei der Suche nach Gründen für die geringe Anzahl Ostdeutscher in Führungspositionen halten Ossis äußere Einflussfaktoren wie fehlende Kontakte für ausschlaggebend. Die NRW-Befragten hingegen machten »mentale und persönlichkeitsorientierte Faktoren« als Ursache aus. Also das geringe Selbstvertauen und die mangelnde Verantwortungsbereitschaft der Ostdeutschen.

Zwar schränkte der SFZ-Geschäftsführer Reinhard Liebscher am Dienstag ein, man könne die Ergebnisse aus NRW nicht auf den gesamten Westen »hochrechnen«, doch für ein erstes Meinungsbild tauge das Datenmaterial auf alle Fälle. Demnach sind die Deutschen zumindest in ihren sozialpolitischen Forderungen bereits wiedervereinigt.

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