Klimakiller und Wortbruch

IAA präsentiert Altfahrzeuge mit hoher Umweltbelastung

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 2 Min.
In ihrem Bemühen um die Abschaffung klimaschädlicher Kältemittel bei Auto-Klimaanlagen beißen die Umweltverbände bei der deutschen und europäischen Automobilindustrie nach wie vor auf Granit. Das beklagten Vertreter von Deutscher Umwelthilfe (DUH) und Verkehrsclub Deutschland (VCD) am Mittwoch vor Journalisten am Rande der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main.

Ein »regelrechtes Kartell« der Auto- und Klimaanlagenhersteller beklagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. So hebele die Industrie seit Jahresbeginn gezielt eine EU-Richtlinie aus, mit der die Klimaschädlichkeit der Kfz-Klimaanlagen zurückgedrängt werden soll. Die Akteure spielten auf Zeit und missachteten trickreich das seit Anfang 2011 geltende Gebot, alle neuen Kfz-Modelle mit einem klimafreundlichen Kältemittel auszurüsten. Wider besseres Wissen setzten sie weiterhin auf das bisherige, extrem klimaschädliche Klimamittel R 134a.

Gemäß der EU-Richtlinie 2006/40/EG sollen ab Anfang 2011 keine neuen Kfz-Typengenehmigungen mehr erteilt werden, wenn das eingesetzte Kältemittel die Klimawirkung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) um das 150-Fache übertrifft. Das derzeit verwendete R 134a heize die Atmosphäre aber 1430 mal stärker auf als CO2, beklagt die DUH.

Vor vier Jahren habe der Verband der Automobilindustrie (VDA) die »grüne IAA« propagiert und als Beitrag zum Klimaschutz den serienmäßigen Einsatz natürlicher Kältemittel wie CO2 versprochen, so Resch. IAA-Präsident Mathias Wissmann habe jedoch nach erfolgreicher Lobbyarbeit der Hersteller herkömmlicher Kältemittel, DuPont und Honeywell, »sein Wort vorsätzlich gebrochen«. Bis auf zwei Zulassungen für neue Fahrzeugtypen seien alle anderen Kfz-Typen nach wie vor mit R 134a ausgestattet. »Sie sehen hier auf der IAA statt Weltneuheiten lauter Altfahrzeuge mit hoher Umweltbelastung«, brachte es der DUH-Geschäftsführer auf den Punkt.

Der von den Autoherstellern als klimafreundlicher Ersatzstoff anvisierte Stoff 1234yf der US-Chemiekonzerne sei aus Patentgründen sehr teuer und im Brandfall hochgefährlich. Bei alljährlich 30 000 statistisch gezählten Fahrzeugbränden bundesweit bedeute dies ein hohes Gefährdungspotenzial für die Fahrzeuginsassen durch extreme Verätzungen, gab der Verkehrsexperte Axel Friedrich zu bedenken. Auch viele der Entwickler teilten hinter vorgehaltener Hand seine Kritik, so Friedrich.

Doch auf der gerade erst begonnenen IAA ist weiterhin heile Welt angesagt, in der für unangenehme Fakten kein Platz ist. So hat VCD-Verkehrsexperte Gerd Lottsiepen gleich am ersten Messetag seine eigenen Erfahrungen mit einem »Informations-Verweigerungskartell« gemacht. Er habe kompetente Vertreter deutscher Autohersteller wie Audi und Daimler gefragt, welches Kältemittel sie einsetzten. Die Experten, »allesamt Profis und keine Messehostessen«, hätten ihm auf diese Frage keine Antwort gegeben und ihn zum VDA geschickt. Zudem lasse die Industrie die Autokäufer immer noch im Unklaren darüber, wie viel Energie die angebotenen Klimaanlagen tatsächlich verbrauchten. Dies sei ein »eklatanter Verstoß gegen Verbraucherinteressen«, so Lottsiepen, Die geschätzten Werte schwanken zwischen einem halben und zwei Litern Mehrverbrauch pro 100 km, bei Hitze und Stau könnten es aber leicht auch sechs bis sieben Liter werden.

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