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Auf den Spuren des Cid

»Cidiano«: Burgos feiert ein Mittelalterfest um den spanischen Nationalhelden

  • Hubert Thielicke
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein Krieger hoch zu Ross mit Helm und Kettenhemd, das blanke Schwert in der Hand, begleitet von farbenprächtig gekleideten Rittern und Damen, dazu mittelalterliche Musik in den Straßen von Burgos.

Unwillkürlich denkt man, hier werde eine Neuauflage des Hollywood-Klassikers »El Cid« gedreht, der in den 60er Jahren – mit Charlton Heston in der Hauptrolle und Sophia Loren als Ehefrau Dona Jimena – den Ritter Rodrigo Diaz de Vivar, genannt El Cid, weltweit populär machte.

Nein, das ist es nicht. Seit zwei Jahren wird in Burgos am ersten Oktober-Wochenende das »Cidiano« gefeiert – ein Mittelalterfest zu Ehren des legendären Ritters, der vor fast einem Jahrtausend in der Nähe geboren wurde. Dem König von Kastilien diente er in Kriegen gegen die muslimischen Mauren, die damals noch große Teile der Iberischen Halbinsel beherrschten, aber auch gegen christliche Nachbarreiche. Allerdings war diese Beziehung nicht konfliktfrei; zwei Mal schickte ihn Alfonso VI. in die Verbannung, wo er sich auch mit maurischen Fürsten verbündete. Als »Ritter ohne Furcht und Tadel« schon zu Lebzeiten besungen, avancierte Rodrigo schließlich zum spanischen Nationalhelden.

Turniere und buntes Treiben

Aber solche weit in die Historie zurückreichende Gedanken sollten die Freude am bunten Treiben nicht hindern. »Mit diesem neuen Event wollen die Initiatoren – die Vereinigung der Hoteliers und Gastronomen von Burgos – dazu beitragen, die Figur des Cid noch bekannter zu machen und das Reisegeschäft noch stärker nach Burgos zu lenken«, erläutert die Angestellte in der Touristeninformation, die in einem gegenüber der Kathedrale liegt. Und nicht zu vergessen: 2016 möchte Burgos Kulturhauptstadt Europas werden; da sollte man schon einige besondere Events zu bieten haben.

Immerhin, mehrere hundert Teilnehmer und fast einhundert Pferde bringen mittelalterliche Atmosphäre in die Straßen und engen Gassen. Gedränge herrscht in der Altstadt; tausende Burgalesen und Touristen wollen sich nichts entgehen lassen: von Turnieren und Schwertkämpfen über Straßentheater und Umzüge bis zum Mittelaltermarkt auf dem Platz vor der Kathedrale und dem Paseo de Espolón, der Promenade entlang dem Rio Arlanzón, vom Theaterplatz bis zum Stadttor Arco de Santa Maria.

Den spirituellen Höhepunkt des Wochenendes bildet die Mittagsmesse zu Ehren des Helden am Sonntag in der riesigen Kathedrale. Nach der feierlichen Andacht legen Vertreter historischer Vereine Blumen am Grab des Cid und seiner Gattin nieder. Für einen Außenstehenden mag die Zeremonie schwer zu verstehen sein, immerhin starb Ritter Rodrigo im Jahre 1099.

Das alles erklärt sich mit der ungebrochenen Verehrung, die er in Spanien genießt. Sein legendäres Schwert »Tizona« kann man im Madrider Militärmuseum bewundern und als Nachbildung in den einschlägigen Geschäften kaufen. Auf Denkmälern, so auch in Burgos, reitet er mit geschwungenem Schwert und wehendem Bart daher. Ein besonderer Weg durch Spanien ist ihm gewidmet – der »Camino del Cid«, der vom Geburtsort Vivar über Burgos bis nach Valencia führt, das er 1094 eroberte und zu seinem Fürstentum machte.

Schönste Kathedrale Spaniens

Auch unter den zehn in Burgos empfohlenen touristischen Wegen gibt es eine »Ruta del Cid«. Sie beginnt am St. Martins-Tor, durch das die Könige Kastiliens mit ihrem Gefolge in die Hauptstadt einritten. Über das Solar del Cid, ein Denkmal am Ort seines einstigen Wohnsitzes, geht es dann zur gotischen Kathedrale, die als eine der größten und schönsten Spaniens gilt und 1984 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Schaut man vom Burgberg hinunter auf die Stadt, fallen ihre beiden 84 Meter hohen Türme, die sich aus dem Häusergewirr recken, sofort ins Auge. Sie wurden vom deutschen Baumeister Hans von Köln im 15. Jahrhundert errichtet. Auch innen beeindruckt die Kirche durch ihre Größe und die filigrane Gotik. Von der wunderschönen Vierungskuppel fällt das Licht hinab auf die Grabplatte des Cid und seiner Frau.

Während der aus einfachen Verhältnissen aufgestiegene Ritter im Zentrum der Kathedrale ruht, befinden sich die Gräber von Königen und ihren Familienmitgliedern außerhalb der Stadt im Kloster Las Huelgas. Innenhöfe und Kapellen im Mudejar-Stil erinnern an die Alhambra in Granada, lassen den Einfluss der maurischen Baukunst erkennen. Der Besucher kommt sich allerdings unwillkürlich vor wie im Hochsicherheitstrakt: Besichtigung ist nur mit Führung möglich; die Gruppen werden von einem Sicherheitsbeamten argwöhnisch beobachtet, der keine Fotos zulässt.

Ganz anders die Atmosphäre im kleineren Kartäuserkloster Miraflores. Sein kunstvoller Altar und das Alabaster-Grabmal des Königs Juan II. und seiner Gattin zählen zu den Meisterwerken der Gotik. Isabella von Kastilien, seine Tochter und Nachfolgerin, vor allem bekannt durch ihre Unterstützung für Christoph Kolumbus, ließ die Kunstwerke vor mehr als 500 Jahren errichten. Ausgerüstet mit einer von den Mönchen bereitgestellten Informationsbroschüre, kann man sich die Pracht in Ruhe selbst erschließen.

Mit dem Auszug des »Cid« und seiner Schar am Sonntagabend endet das »Cidiano«-Wochenende. Bei allem historischen Spektakel sollte man aber auch die Gastronomie der Stadt genießen. Berühmt in ganz Spanien sind die Morcilla de Burgos, eine Art Blutwurst, und der örtliche Weichkäse.

  • Informationen: Das diesjährige »Cidiano« findet vom 30. September bis 2. Oktober statt.
  • Burgos ist mit ca. 200 000 Einwohnern Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in der Autonomen Region Kastilien-Leon.
  • Das 2010 eröffnete Museum der menschlichen Entwicklung (Museo de la Evolucion Humana) widmet sich den Fossilien des Vor- und Frühmenschen, die in Atapuerca – 20 Kilometer östlich von Burgos – ausgegraben wurden.
  • Weitere Sehenswürdigkeiten und Übernachtungen: www.spain.info; www.turismoburgos.org
  • Anreise: Mit Lufthansa oder Air Berlin nach Bilbao. Von Bilbao per Bus (ALSA) nach Burgos, ca. 2 Stunden.
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