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Revisionisten auf dem Rittergut

Der rechte Verein »Gedächtnisstätte« kauft Immobilie in Thüringen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Verein »Gedächtnisstätte«, der eine Erinnerungsstätte nur für deutsche Kriegsopfer plant und Holocaustleugner anzieht, hat ein neues Domizil – gekauft vom Freistaat Thüringen.

Das thüringische Guthmannshausen verfügt bisher über eine überschaubare Anzahl an Attraktionen. Die »Pfefferminzbahn« hat in dem 800 Einwohner zählenden Dorf im Kreis Sömmerda zwar eine Haltestelle; für Reisende gab es aber wenig Anlass, auch auszusteigen. Das könnte sich für eine bestimmte Klientel nun allerdings ändern: Für Rechtsextreme, Holocaustleugner und Geschichtsrevisionisten droht Guthmannshausen zur erstklassigen Adresse zu werden. Grund dafür ist, dass der Verein »Gedächtnisstätte« nach Angaben des »Vlothoer Anzeigers« das frühere Rittergut im Ort erworben hat, in dem später die landwirtschaftliche Landesschule ansässig war

Im Mai 2011 sei das Anwesen von der Thüringer Liegenschaftsgesellschaft für 320 000 Euro veräußert worden, erklärt auch die Erfurter Landtagsabgeordnete der Linkspartei Martina Renner – an zwielichtige Käufer. Der Verein und sein Umfeld stellten eine »wichtige Schnittstelle« von Neonaziszene und Altnazis, besonders notorischen Holocaust-Leugnern, dar, sagt Renner.

Revisionistisches Gedenken an deutsche Opfer

Der Verein wurde 1992 in Vlotho gegründet, wo auch das 2008 verbotene »Collegium Humanum« seinen Sitz hatte. Dieses habe antisemitische Propaganda betrieben und die NS-Herrschaft verherrlicht, erklärte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zur Verbotsbegründung. Zwischen Collegium und Gedächtnisstätte gab es personelle Überschneidungen, etwa in Person der mehrmals wegen Volksverhetzung verurteilten Ursula Haverbeck-Wetzel, die das Collegium leitete und dem Trägerverein der »Gedächtnisstätte« vorstand. Zeitweise hatten beide Einrichtungen die gleiche Anschrift.

2005 war der Verein Gedächtnisstätte freilich umgezogen: Vom Bergbausanierer LMBV hatte er ein ehemaliges Verwaltungsgebäude im sächsischen Borna günstig erworben. Dort sollte das eigentliche Anliegen des Vereins umgesetzt werden: die Errichtung einer Gedenkstätte ausschließlich für deutsche Kriegsopfer, die »durch Bomben, Verschleppung, Vertreibung und in Gefangenenlagern« zu Tode gekommen seien. So solle ein angeblicher »Vorhang des Schweigens, des Herabspielens, des Verdrängens und auch des Verleugnens« zerrissen werden, wie der jetzige Vereinschef Wolfram Schiedewitz im Februar 2011 erklärte.

Kritiker werfen dem Verein vor, Geschichtsrevisionismus zu betreiben und die Ursachen des Krieges zu ignorieren. Die Position ist zentraler Identifikationspunkt für die rechtsextremen Szene, für die Borna denn auch zu einer Art Pilgerort wurde. Als Details über den Verein publik wurden, versuchte die LMBV vergeblich, den Kauf rückgängig zu machen. Sachsens Innenministerium stufte den Verein Ende 2008 als rechtsextrem ein. 2010 zog sich dieser aus Borna zurück.

Wieder aufgetaucht in Thüringen

Jetzt ist er in Thüringen wieder aufgetaucht – als Besitzer einer Immobilie, die gut saniert ist und viele Möglichkeiten für Veranstaltungen und Schulungen eröffnet. Ein erstes Treffen soll bereits stattgefunden haben – unter anderem mit Ursula Haverbeck-Wetzel. Der Verein teilt zudem mit, dass man auch der »Schlesischen Jugend« eine »Heimstatt ohne Zwang« bieten will. Weil diese rechtsextrem unterwandert sein soll, war kürzlich sogar Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach zum Nachwuchs der Schlesischen Landsmannschaft auf Distanz gegangen.

Angesichts solcher Verbindungen kritisiert die Linksabgeordnete Renner die Ansiedlung in Guthmannshausen scharf. Sie verweist auf Probleme mit ähnlichen Immobilienkäufen durch Nazis, etwa das Schützenhaus in Pößneck. Die Landesregierung müsse sich fragen lassen, wieso erneut ein derart lukratives Objekt an Rechtsextreme veräußert werden konnte. Zudem sollten alle Möglichkeiten zur Rückabwicklung des Verkaufs geprüft werden.

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