Gute Mütter, schlechte Mütter

Neues Kapitel im Streit um Betreuungsgeld: Familienministerin Schröder kürzt Mittel, die sie noch gar nicht hat

  • Lesedauer: 4 Min.
Ein altes Konfliktthema ist zurück auf der Tagesordnung: Familienministerin Schröder schlägt vor, das umstrittene Betreuungsgeld statt 24 nur zwölf Monate lang auszuzahlen - und sitzt damit zwischen den Stühlen. Auch in der eigenen Koalition.
Mutteridylle
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Berlin (dpa/ND). Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat wenige Wochen nach ihrer Rückkehr aus der Babypause die Debatte über das umstrittene Betreuungsgeld neu angestoßen. Die CDU-Politikerin schlug am Wochenende vor, die geplante Leistung für Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen und nicht in eine Kita geben, nur halb so lang zu zahlen wie bisher vorgesehen. Bei der Schwesterpartei CSU stieß die Kürzungsidee prompt auf Widerstand. Der Koalitionspartner FDP bleibt auf der anderen Seite bei seiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Betreuungsgeld.

Betreuungsgeld soll erhalten, wer sein Kind nicht in eine Kita gibt, sondern zu Hause behält. Eine Art Stimulierung häuslicher Erziehung und ganz im Sinne des Familienbildes, dem Schröder damit folgt. Nun aber will die Ministerin die geplante monatliche Leistung von 150 Euro nur zwölf Monate lang zahlen, statt wie bisher diskutiert für die Dauer von 24 Monaten. Man darf davon ausgehen, dass Schröder damit einer Intervention des Bundesfinanzministeriums nachgibt. Zur Begründung sagte die CDU-Politikerin der »Bild am Sonntag«: »Ich finde, wir müssen angesichts der angespannten Haushaltslage eine gewisse Bescheidenheit an den Tag legen.«

Aus der CSU kam umgehend Widerspruch. Die christsoziale Familienpolitikerin Dorothee Bär sagte dem »Handelsblatt«: »Ein Jahr ist nicht akzeptabel.« Der Koalitionsvertrag sehe ein Betreuungsgeld im zweiten und dritten Lebensjahr vor. Wenn Schröder freiwillig auf die Hälfte verzichte, gebe sie »dem Finanzminister eine Steilvorlage. Das ist taktisch äußerst fragwürdig - um es vorsichtig auszudrücken«, sagte Bär.

Wörtlich hatten Union und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart: »Um Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Angeboten und Leistungen zu ermöglichen, soll ab dem Jahr 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro, gegebenenfalls als Gutschein, für Kinder unter drei Jahren als Bundesleistung eingeführt werden.« Vor allem zwischen CSU und FDP ist das Betreuungsgeld aber seit langem umstritten. Die CSU macht sich stark dafür, die FDP hat sich davon distanziert. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, Florian Toncar, sagte der »Bild«-Zeitung: »Für das Betreuungsgeld wurde im Haushalt bisher kein Geld eingeplant - und ich sehe auch nicht, wo die drei Milliarden dafür herkommen sollen.«

Die Familienministerin stellt sich vor, das Betreuungsgeld in der Zeit nach der Zahlung des Elterngeldes im zweiten Lebensjahr des Kindes monatlich zu überweisen. Sie nehme »erst einmal nur das zweite Lebensjahr in den Blick. Wenn wir das zum Wohle der Eltern schaffen, bin ich angesichts der Finanzlage schon sehr froh«, sagte Schröder.

Zugleich sprach sie sich dafür aus, das Betreuungsgeld sowohl an Teilzeitbeschäftigte als auch an Eltern auszuzahlen, die sich ausschließlich der Kindererziehung zu Hause widmen. »Wir wollen Paare unterstützen, die auch nach der Elternzeit entweder ganz auf Erwerbstätigkeit verzichten oder sie stark reduzieren, um mit Teilzeit Familie und Beruf zu vereinbaren«, sagte Schröder. Sie wolle »verhindern, dass wir Teilzeitbeschäftigte gegen Hausfrauen ausspielen«. Für diese Idee zeigt sich die CSU offen: »Hier müssen wir uns lediglich auf eine Grenze einigen«, sagte Bär. »Diese könnte etwa bei 20 Stunden liegen.«

Grundsätzlich ablehnend gegenüber der Idee eines Betreuungsgeldes äußern sich weiterhin LINKE, SPD und Grüne. Die Vorschläge von Schröder machten die »Fernhalteprämie« nicht besser, kritisierte die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. Katja Dörner, familienpolitische Sprecherin der Grünen, sagte: »Das Betreuungsgeld bleibt eine unsinnige Maßnahme.« Die Ministerin kürze ein Betreuungsgeld, das noch gar nicht da ist, kommentierte Jörn Wunderlich, familienpolitischer Sprecher der LINKEN im Bundestag. »Wenn die Ministerin die Bezugsdauer des Betreuungsgeldes noch vor seiner Einführung kürzen will, kann sie es ja gleich ganz abschaffen.« Es grenze an »Unverschämtheit, Frauen mit einem Taschengeld an Haus und Herd binden zu wollen und deren Kindern gleichzeitig zwanghaft Bildungsangebote vorzuenthalten.« Wunderlich kritisierte ein damit verbundenes Familienbild, das die Auseinandersetzung »gute Mütter, schlechte Mütter« schüre.

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