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Kasernen zu Eigenheimen

Vor zehn Jahren zogen französische Einheiten aus Baden ab - eine Standort-Visite

  • Ingo Werner-Senft
  • Lesedauer: 3 Min.
Soldaten gehen, Kasernen bleiben. Baden-Baden und Rastatt in Baden-Württemberg arbeiten seit rund zehn Jahren daran, frühere militärische Gebäude ins Stadtbild zu integrieren - mit unterschiedlichem Erfolg.

Karlsruhe. Der Katzenjammer ist längst vorbei. Als vor gut zehn Jahren mehrere tausend französische Soldaten aus Baden-Baden und Rastatt abzogen, beklagten Politiker nicht nur den Verlust an Kaufkraft. Sie fragten sich auch ängstlich, was nun aus all den leer stehenden Kasernen und Wohnungen werden soll. Dann ergriffen sie die Chance und gestalteten die Städte um.

Dafür musste viel Geld in die Hand genommen werden. »Heute würden wir uns nicht mehr trauen, solche weitreichenden Entscheidungen zu treffen - angesichts der allgemeinen Ebbe in den Kassen«, sagt der leitende Rastatter Stadtplaner Markus Reck-Kehl. Dabei hat die Stadt erst für zwei der sieben ehemaligen Kasernen eine Verwendung gefunden. Für die restlichen Projekte wird es schwierig.

Ein Stück Schlossgarten

»Der größte und wichtigste Brocken ist Gott sei Dank vom Tisch«, sagt Reck-Kehl. Die zehn Hektar große Kaserne »Canrobert« lag direkt hinter dem Rastatter Schloss und durchbrach die barocke Stadtachse. Über mehrere Jahre verhandelte die Stadt mit dem Bund und bekam schließlich für 11 Millionen Euro den Zuschlag. »Wir konnten einen Teil der Gebäude abreißen und den Schlossgarten fortführen«, erklärt der Stadtplaner. Seitlich entstanden Neubauten für Ämter und Wohnungen. In ein denkmalgeschütztes Gebäude der Kaserne zog eine Waldorfschule ein.

Ähnlich reibungslos verlief auch die Umwandlung des Geländes »Carnot», wo Wohnungen und ein Industriegelände entstanden. Bei anderen Projekten geht es nur schleppend vorwärts. Für die Joffre-Kaserne in der Innenstadt wurde über Jahre mit der Bundesanstalt für Immobilien ein Konzept ausgearbeitet. Doch nun fehlt das Geld. »Ein Investor soll jetzt die Fläche entwickeln«, sagt der Stadtplaner. Seine Skepsis ist nicht zu überhören.

Baden-Baden ist von vornherein einen anderen Weg gegangen. Die Stadt hat dem Bund nach zähem Ringen fast die gesamte von den Franzosen genutzte Fläche von 50 Hektar abgekauft - für rund 30 Millionen Euro. »Damit waren wir von Anfang an Herr des Verfahrens«, sagt Baubürgermeister Werner Hirt. Die Organisation wurde in die Hände einer Entwicklungsgesellschaft gegeben. Die Stadt erarbeitete einen Masterplan, wie der Stadtteil aussehen sollte. Dann verkaufte die Gesellschaft gezielt Grundstücke, um an Geld zu kommen. »Viele junge Familien haben sich für das Bauland interessiert.« Mit dem Geld wurden die Kaserne und fast alle der in die Jahre gekommenen Reihenhäuser abgerissen, Straßen und Kanalisation erneuert, Schulen und Kindergärten gebaut und ein Gewerbegebiet angelegt. Mehr als 100 Millionen Euro hat die öffentliche Hand investiert, 17 Millionen davon das Land.

Kneipen machten dicht

Wo in den Hochzeiten des Kalten Krieges bis zu 15 000 Soldaten lebten, wohnen heute etwa 2000 Neubürger, in einigen Jahren sollen es 4000 sein. »Wir sind die einzige Stadt in Baden, die eine positive Bevölkerungsentwicklung vorweisen kann«, sagt Hirt. Die Entwicklungsgesellschaft schreibt inzwischen schwarze Zahlen.

Eine solch klare Perspektive hat sein Rastatter Kollege nicht. Im Gegenteil. Bei jedem künftigen Projekt befürchtet er langwierige Verhandlungen, zumal jetzt deutschlandweit neue Projekte hinzukommen, wenn die Bundeswehr verkleinert wird. Zudem sind inzwischen auch die Folgen des Truppenabzugs nicht mehr zu übersehen. »Rastatt hatte wegen der Kasernen eine große Kneipendichte, die jetzt verloren geht«, erzählt Reck-Kehl. Eine Brauerei mitten in der Stadt hat aufgegeben und hinterlässt eine Brache. »Da haben wir noch einige Aufgaben vor uns«, sagt er - und für einen Moment kommt der Katzenjammer zurück.

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