»Ein hoher Preis«

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Noch am Mittwoch, einen Tag bevor der Tod Gaddafis gemeldet wurde, war ich in Sirte, der seit dem 15. September heiß umkämpften Stadt. Gaddafi-treue Militärs leisteten hartnäckigen Widerstand gegen die Milizen des Übergangsrates. Erst wenn Sirte falle, so die Angreifer, werde ganz Libyen für »befreit« erklärt.

Zwischen Hubschraubern, Lazarett und Casino steht am Stützpunkt Tor 55 ein Zeltlager. Die Bewohner, Flüchtlinge aus Sirte, erzählen von einer entbehrungsreichen Zeit ohne Wasser, Strom und Telefonnetz in der Stadt. Dort, sagt ein Milizenkommandeur, habe man die Gaddafi-Treuen inzwischen auf einer Fläche von 500 Quadratmetern eingekreist.

Aus den Rohbauten einer neuen Hochhaussiedlung beschießen die Rebellen, die sich selbst »Revolutionäre« nennen, das bewusste Gebiet. Schwarzer Rauch steigt dort auf, Feuer brennen. Unter den Schützen - Studenten, Ingenieure, Arbeitslose, Jugendliche, Väter - ist Walid. Während er auf dem Beton kniet und aus dem Rohbaufenster schießt, schlägt im rechten Nachbarhaus, zehn Meter entfernt, eine Rakete ein, die auch die Umgebung erzittern lässt. Drei Rebellen sterben, sieben sind schwer verwundet. Auf der Ladefläche eines Pickups werden die Verwundeten weggefahren. Danach werden die Toten geborgen, in Decken gehüllt und ebenfalls abtransportiert, während eine Gruppe von 30 Rebellen ruft: »Gott ist groß.«

»Heute fielen an der Westfront 13«, sagt um 19 Uhr Oberarzt Abdulrahim im Feldlazarett in einer Schule. Auf den Fluren hocken erschöpfte Kämpfer. Immer wenn einer seinen Verletzungen erliegt, schießen die Rebellen minutenlang in die Luft. Zweimal tun sie das während dieser Stunde. Einer sagt: »Wir bezahlen einen hohen Preis für die Befreiung unseres Landes.«

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