Das geteilte Echo der Freiheit

Eine Ausstellung in Mühlhausen zur Luther-Dekade erinnert an Reformation und Bauernkrieg

  • Günter Vogler
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Mühlhäuser Museen befassen sich mit dem Blick auf die Reformation und zeigen Werke der bildenden Kunst aus beiden deutschen Staaten - welche Arbeiten im Osten und welche im Westen entstanden, ist nicht ohne Weiteres zu erkennen.

In der Ausstellung »Sichtungen & Einblicke. Zur künstlerischen Rezeption von Reformation und Bauernkrieg im geteilten Deutschland« hat der Besucher Anlass zum Staunen. Denn Thomas T. Müller, Direktor der Mühlhäuser Museen, und Jürgen Winter, Kurator der Ausstellung, ist es gelungen, bemerkenswerte Kunstwerke aus öffentlichen und privaten Sammlungen zu präsentieren. Es überrascht, dass nicht ohne Weiteres zu erkennen ist, welche Arbeit im Osten und welche im Westen entstand. Insofern erteilt die Exposition denen eine Ohrfeige, die über DDR-Kunst pauschal negativ urteilen. Ko-Kuratorin Ulrike Pennewitz befindet, dass auch im Staatsauftrag entstandene Werke »von hoher Eigenständigkeit« seien, »die sich unter keinem einheitlichen ideologischen Dach subsumieren lassen«.

Die rund 110 Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken und Plastiken datieren fast ausnahmslos zwischen 1970 und 1989. Hätte man den Zeitraum davor berücksichtigt, wäre wohl aufgefallen, dass der Bauernkrieg in der BRD kein Thema für künstlerische Experimente war, während in der DDR die Historienmalerei dominierte. Doch der 450. Jahrestag der Bauernerhebungen forderte bildende Künstler in beiden deutschen Staaten gleichermaßen heraus.

Den Ausstellungsbereich betritt der Besucher durch einen einer Kapelle nachempfundenen Raum, in dem vier Radierungen von Käthe Kollwitz aus ihrem 1908 vollendeten Bauernkriegszyklus hängen. Den Hauptteil der Exposition dominieren Heinz Zander mit seinem »Bauernkriegszyklus« (1980), acht farbintensiven, großformatigen Gemälden, und HAP Grieshaber mit seinen Farbholzschnitten.

»Sichtungen« - natürlich kann die Ausstellung nur eine Auswahl anbieten. Ausgespart wurden beispielsweise Buchillustrationen. Auch findet man nur wenige plastische Arbeiten. Einige bemerkenswerte Werke sind aber zu besichtigen, darunter »Luthers Erinnerung an Müntzer« von Eberhard Linke (1983). Das Gesicht des Reformators weist Risse auf. Von der Seite betrachtet sieht man in seinem Rücken die Axt des Henkers, mit der Thomas Müntzer hingerichtet wurde. Hier wird eindrucksvoll eine starke Konfliktsituation visualisiert.

»Einblicke« - die künstlerische Rezeption der historischen Ereignisse beabsichtigt, keine Helden vorzuführen und jegliche Heroisierung zu vermeiden. Sichtbar wird: Gewalt erzeugt stets Leid, fordert Opfer und sät Tod. Eindrucksvoll setzen dies Alfred Hrdlicka mit seinem »Bauernkriegszyklus« (1980/1983) sowie Renate Jung mit dem Triptychon »4500 Jahre Krieg - 450 Jahre Bauernkrieg« (1975) bildhaft um. Hoffnung keimt nur selten auf, so wenn in Heinz Sakulowskis Gemälde »Deutschland 1525 - Die Auferstehung« (1974) eine schwangere Frau über eine öde, verwüstete Landschaft schreitet. Zu sehen sind hier selbstverständlich auch Gemälde und Grafiken von Gerhard Goßmann, Bernhard Heisig und Werner Tübke auf der einen und von Otfried H. Culmann, Dieter E. Klumpp und Gérard Krimmel auf der anderen Seite.

Die Mühlhäuser Museen verstehen ihre Ausstellung als Beitrag zur »Luther-Dekade«. Sie bringt aber nicht nur Luther, sondern auch Müntzer, nicht nur die Reformation, sondern auch den Bauernkrieg ins Gespräch.

Bis 4. Dezember, Mühlhäuser Museen, Di. bis So. 10 bis 17 Uhr; Begleitband: »Sichtungen und Einblicke« (Imhof Verlag, 29,90 €).

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