Ferndiagnose aus Brüssel

Naturschützer wehren sich dagegen, dass der strittige Donauausbau bei der EU entschieden wird

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Wegen des Streits um den Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen wurde eine Monitoringgruppe installiert, in ihr sind unter anderen auch Umweltschützer vertreten. Doch der Bund Naturschutz betrachtet das Gremium mittlerweile als »Farce«.

Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) wehrt sich gegen Aussagen eines Vertreters der EU-Kommission, wonach Vorgaben der EU für den umstrittenen Donau-Ausbau zwischen Straubing und Vilshofen bindend seien. »Nach wie vor wird die Verkehrsinfrastruktur durch die nationale Gesetzgebung festgelegt. Dies hat gerade in Verbindung mit dem Donauausbau das Bundesverkehrsministerium gegenüber der EU festgestellt«, so der BN-Landesvorsitzende Hubert Weiger. Durch die europäischen Verkehrsnetze werde nur die EU, die bei grenzüberschreitenden Projekten bis zu 20 Prozent mitfinanziert, verpflichtet, sich entsprechend zu beteiligen.

Bindende Verordnung?

Der Hintergrund: Bis zum Jahr 2030 sollen die Mitglieder der Europäische Union im Rahmen des Transeuropäischen Verkehrsnetzes durch ein sogenanntes Kernverkehrsnetz untereinander verbunden sein, so die jetzt von der EU-Kommission vorgelegten Leitlinien. In Bayern neu aufgenommen wurden dabei die Bahnstrecke Leipzig-Hof-Regensburg und die Bahnstrecken von München und Nürnberg bis nach Prag, sagte Verkehrsexperte Leo Huberts von der EU-Kommission bei einer Pressekonferenz in München.

Aufrechterhalten wird auch die Priorität der Verkehrsprojekte Donauausbau zwischen Straubing und Vilshofen, die Bahnstrecke von München nach Salzburg und der Nordzulauf zum Brenner Basis-Tunnel. Pikant an dem neuem Verkehrs-Ausbaukonzept der EU ist die Tatsache, dass es sich dabei um eine Verordnung handelt. Das heißt, die Mitgliedsländer, aber auch die Betreiber von Infrastruktur wie die Bahn oder die Rhein-Main-Donau-AG wären verpflichtet, die Vorgaben umzusetzen.

Seit 2009 arbeitet die EU-Kommission an einer neuen Politik des Ausbaus und der Vernetzung der Verkehrswege. Angestrebt wird nun eine Konzentration der finanziellen Mittel auf eine geringere Zahl an Vorhaben. Bis 2030 soll ein Kernnetz an Verkehrswegen vollständig ausgebaut sein, das 83 wichtige Häfen, 37 Großflughäfen und 15 000 Bahnkilometer umfasst. Dieses Kernnetz soll praktisch die wirtschaftliche Lebensader des europäischen Binnenmarktes darstellen und die ungehinderte Bewegung von Personen und Gütern in der gesamten EU ermöglichen. Bis 2030 sollen insgesamt 500 Milliarden Euro investiert werden.

Hintergrund ist die Prognose, dass in Europa der Güterverkehr bis 2050 voraussichtlich um 80 Prozent zunehmen wird, der Personenverkehr um mehr als 50 Prozent. Mit dem Verkehrsentwicklungsplan sollen fehlende Verbindungen, technische Barrieren wie Spurweiten oder Signaltechnik und mangelnde Verknüpfung der Verkehrsträger beseitigt und so der Marktzugang für alle EU-Mitglieder egalisiert werden. Bislang waren in Bayern drei Verkehrsprojekte in die Prioritätenliste aufgenommen worden, darunter der umstrittene Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen. Hier hat die EU mittlerweile eine Monitoringgruppe installiert, in ihr sind unter anderen auch Umweltschützer vertreten. Sie soll die Anfertigung einer »variantenunabhängigen« und von der EU mitfinanzierten Ausbau-Studie kontrollieren und für Transparenz der Ergebnisse sorgen. Doch der Bund Naturschutz, der ebenfalls in dem Gremium vertreten ist, bezeichnet diese Monitorringgruppe mittlerweile als eine »Farce«: Was als »variantenunabhängige« Untersuchung angekündigt wurde, scheine in Wirklichkeit nur darauf ausgerichtet, den Staustufenausbau durchzusetzen. Zudem könne die Monitoringgruppe ihrer Aufgabe nicht nachkommen, da sie nur oberflächlich einbezogen werde.

Hinsichtlich einer »Verordnung« der EU konstatieren die Naturschützer: »Bis heute hat der Bundestagsbeschluss bestand, dass die Bundesrepublik Deutschland als Planungsträger den weiteren Donauausbau in Deutschland nur finanzieren darf, wenn er ohne Staustufen erfolgt. Damit steht die nationale Entscheidung über einer politisch herbeigeredeten EU-Entscheidung für Staustaufen zwischen Straubing und Vilshofen.«

Ein Beschluss steht aus

Neu aufgenommen in die Prioritätenliste wurde die Bahnstrecke von München über Regensburg nach Prag, sie habe eine »strategische Bedeutung«, sagte Verkehrsexperte Huberts. Die Ausbaustrecken liegen dabei im Wesentlichen im benachbarten Tschechien. Gleiches gilt für die Strecke von Nürnberg über Marktredwitz nach Prag, wobei die tschechische Regierung diesem Projekt eher skeptisch gegenübersteht, so Huberts. Aufgenommen in das europäische Kernnetz wurde auch die Bahnstrecke von Leipzig über Hof nach Regensburg. Bedeutsam ist die »Rangerhebung« hinsichtlich Zuschussgelder seitens der EU. Die, so Huberts, woanders hin fließen, wenn sie nicht abgefragt werden.

Mit der Aufnahme zweier neuer bayerischer Projekte in die Prioritätenliste entsprach die EU-Kommission der Forderung von Bayerns Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) nach verbesserten Rahmenbedingungen bei den bayerischen Infrastrukturvorhaben.

Die von der EU-Kommission kürzlich vorgelegten neuen Leitlinien für den Verkehrsausbau müssen aber noch vom EU-Parlament beraten und verabschiedet werden, was erfahrungsgemäß bis zu 18 Monate dauern kann.


70 Kilometer

Der Donauausbau in Niederbayern ist seit mehr als vier Jahrzehnten ein Streitthema. Auf der rund 70 Kilometer langen Strecke zwischen Straubing und Vilshofen behindern unterschiedliche Wasserstände oft die Schifffahrt. Von Naturschützern gibt es heftigen Widerstand gegen die Pläne, das Flussstück mit Stauwehren zu kanalisieren. (dpa/nd)

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