Thema Mindestlohn sorgt für Streit

SPD-Bundestagsfraktionsvize Hubertus Heil zweifelt an Ernsthaftigkeit des CDU-Kurswechsels / Linke beantragt Bundestagsdebatte zum Mindestlohn

  • Lesedauer: 4 Min.
Der Kompromiss zwischen der CDA und Unionsfraktionsvize Michael Fuchs, künftig eine Untergrenze für Löhne durch eine Kommission festlegen und von der Bundesregierung bestätigen zu lassen, löst heftige Reaktionen aus. Während Christlich-Demokratische Arbeitnehmer optimistisch sind, dass der Kompromiss auf einem CDU-Parteitag bestätigt wird und Kanzlerin Merkel von »Weiterentwicklung der Marktwirtschaft« spricht, beruft sich Koalitionspartner FDP bei der Ablehnung des Vorstoßes auf den Koalitionsvertrag.
Die LINKE Mecklenburg-Vorpommern thematisierte im Wahlkampf 2011 auch die Dumping-Löhne bei Service-Berufen in der Tourismus-Branche.
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Berlin, 31. Oktober (AFP/dpa/nd) - Die Kehrtwende der CDU-Führung beim Thema Mindestlohn stößt bei Teilen der Partei auf Widerstand. Die Unions-Mittelstandsvereinigung kritisierte am Montag den Vorstoß der CDU, allgemein verbindliche Lohnuntergrenzen festzulegen. Unionsfraktionschef Volker Kauder erklärte, die Vereinbarung von Löhnen bleibe weiter Aufgabe der Tarifpartner.

Kauder sagte der »Bild"-Zeitung (Montagsausgabe), er halte »nach wie vor« nichts davon, dass die Politik allein einen Mindestlohn per Gesetz vorschreibe. Die Vereinbarung von Löhnen bleibe weiter Aufgabe der Tarifpartner. Arbeitgeber und Gewerkschaften müssten sich auf eine Lohnuntergrenze verständigen, die Politik könne dabei aber »durchaus einen Schritt machen«.

Die Festlegung einer Lohnuntergrenze sei »ordnungspolitisch nicht vertretbar, damit können wir nicht leben«, sagte der Vorsitzende der Unions-Mittelstandsvereinigung, Hans Michelbach (CSU), dem »Kölner Stadt-Anzeiger« vom Montag. Ein branchenübergreifender Mindestlohn widerspreche »den Prinzipien der Marktwirtschaft«, für die die Union stehe.

Auch Unionsfraktionsvize Michael Fuchs sagte, über eine gemeinsame Lohnuntergrenze würden weiterhin die Tarifparteien befinden. »Wir haben nicht umgedacht, wir vollziehen keine Wende«, sagte er der »Passauer Neuen Presse« vom Montag. Voraussetzung für einen Mindestlohn sei, dass er nach dem Prinzip der Tarifautonomie zustande komme.

Einem Pressebericht zufolge hatten sich Fuchs, der auch Leiter des Parlamentskreises Mittelstand ist, und der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmer (CDA), Karl-Josef Laumann, darauf verständigt, dass eine Kommission künftig eine Untergrenze für Löhne festlegen soll, die anschließend von der Bundesregierung bestätigt werden soll. Die CDU hatte einen gesetzlichen Mindestlohn bislang stets abgelehnt.

Laumann zeigte sich überzeugt, dass der Vorstoß der CDA auf dem Parteitag in der CDU im November große Unterstützung finden wird. Dem »Kölner Stadt-Anzeiger« (Montagsausgabe) sagte er, er sei froh, dass die CDU-Führung das Anliegen unterstütze. Er sei sicher, dass die Mehrheit der Delegierten beim Parteitag dafür gewonnen werden könne.

Die CSU reagierte positiv auf den Vorschlag, Mindestlöhne künftig von einer Kommission der Tarifpartner festlegen zu lassen. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sprach von einer »überlegenswerten« Idee. Die Tarifpartner dürften »nicht aus der Verantwortung entlassen werden«, verlangte die CSU-Politikerin im »Hamburger Abendblatt« (Montagsausgabe).

Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel steht der Debatte über einen flächendeckenden Mindestlohn offen gegenüber. »Die Bundeskanzlerin sieht es so, dass es hier um die Würde der Arbeit geht«, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter am Montag in Berlin. Merkel sei durchaus an diesem Thema interessiert. In der Debatte sei man aber noch weit entfernt von Regierungshandeln. Es gehe um eine Weiterentwicklung der Marktwirtschaft, in deren Rahmen sich die Tarifpartner auch künftig autonom bewegen sollten.

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, zeigte sich unterdessen optimistisch, dass Mindestlöhne für alle Branchen noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich geregelt werden können. »Ich habe das Gefühl, wir stehen kurz vor dem Durchbruch«, sagte Sommer am Sonntag dem Radiosender HR-Info. Er glaube, dass sich nach dem CDU-Parteitag im November sehr viel tun werde.

Anders die FDP: Generalsekretär Christian Lindner warnte am Montag vor einem politischen Überbietungswettbewerb bei dem Thema. Die FDP beobachte die Beratungen innerhalb der Union mit Interesse. Union und FDP hätten sich in ihrem Koalitionsvertrag zur Tarifautonomie von Arbeitgebern und Gewerkschaften bekannt und einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn ausgeschlossen: »Das gilt für die FDP weiter fort«, sagte Lindner in Berlin.
Sachsens FDP-Staatssekretär Jan Mücke formulierte scharf: Eine »marktwirtschaftliche Untergrenze« sei »in sich so logisch wie eine marktwirtschaftliche Staatliche Plankommission«.

SPD-Bundestagsfraktionsvize Hubertus Heil zog dagegen die Ernsthaftigkeit des CDU-Kurswechsels in Zweifel. »Es ist ja schön, wenn die CDU sich auch in dieser Frage sozialdemokratischen Positionen nähert, aber ich sehe nicht, wie sie sich in dieser Koalition damit durchsetzen könnte«, sagte Heil dem »Kölner Stadt-Anzeiger« vom Montag.

Thema Mindestlohn nächtste Woche Thema im Bundestag?

Die LINKE will die Union beim Wort nehmen und das Thema Mindestlohn in der nächsten Woche auf die Tagesordnung im Bundestag setzen. In einer Aktuellen Stunde solle darüber diskutiert werden, teilte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Dagmar Enkelmann, am Montag in Berlin mit. »Die wirksamste Maßnahme gegen den sich ausbreitenden Niedriglohnsektor ist ein gesetzlich garantierter, flächendeckender Mindestlohn«, sagte Enkelmann. Die »gebetsmühlenartigen Argumente«, ein Mindestlohn vernichte Arbeitsplätze, seien durch eine Studie von sechs Forschungsinstituten widerlegt worden.
LINKE-Chef Klaus Ernst hatte am Sonntag einen »parteiübergreifenden Mindestlohnkonsens« ins Spiel gebracht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) solle noch in diesem Jahr die im Bundestag vertretenen Parteien und die Sozialpartner einladen, einen solchen Konsens zu erarbeiten.

Weitere Informationen zum Thema später auf www.nd-aktuell.de
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