Tripolis ohne Waffen-Kontrolle
UN-Sicherheitsrat fordert bessere Sicherung / EU und Russland rüsteten Libyen einst auf
Wenn es an einem in Libyen zur Zeit nicht mangelt, dann sind es Waffen. »Mehr als zehn, vielleicht auch 100 Mal so viele wie in Irak« soll es laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in dem Land geben. Und der Übergangsrat ist mit der Sicherung der Arsenale heillos überfordert. Schon in den vergangenen Monaten wuchsen die internationalen Befürchtungen angesichts der Plünderungen und unkontrollierten Verbreitung. In Nordafrika herrsche »außerordentlich große Besorgnis«, dass Waffen in die Nachbarländer geschafft worden seien, sagte der UN-Libyen-Sonderbeauftragte Ian Martin. Es gehe dabei unter anderem um Boden-Luft-Raketen, die von der Schulter aus abgefeuert werden können, Maschinengewehre und die dazugehörige Munition.
Nun hat der UN-Sicherheitsrat Tripolis aufgefordert, die Waffen zu erfassen, einzusammeln und zumindest teilweise zu zerstören. Zudem müssten alle Länder in der Region den Schmuggel unterbinden. Dazu sollen die Grenzkontrollen verstärkt und die Transportwege besser überwacht werden. Vor allem die tragbaren Flugabwehrraketen (Manpads) müssten gesichert werden, damit sie nicht Terroristen in die Hände fallen, heißt es in der Resolution. Laut UNO existierten abgesehen von den Herstellerstaaten in keinem Land der Welt so viele US-amerikanische »Stinger« oder russische »Strela«. Allein von letzteren soll es mindestens 20 000 Stück geben. »Wir fürchten, dass sie gegen Passagiermaschinen eingesetzt werden könnten«, so Moskaus UN-Botschafter im Sicherheitsrat.
Die Resolution verpflichtet Tripolis zugleich, sämtliche Chemiewaffen im Land zu erfassen und sie mit der Organisation für das Verbot dieser Massenvernichtungswaffen (OPCW) in Den Haag zu vernichten. Zuletzt wurden zwei geheime Lager mit einsatzfähigem Senfgas entdeckt. Für eine angemessene Kontrolle und Sicherung fehlt es nach Einschätzung von Jussef Safi al-Din aber an der richtigen Ausrüstung und an Geld. Er war unter Gaddafi für die libyschen Chemiewaffen zuständig und hat sie dann für den Übergangsrat überwacht. Deutschland will eine Mission von OPCW-Inspektoren in Libyen technisch unterstützen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle zufolge wolle man sich auch an der Sicherung und Liquidierung von Kleinwaffen beteiligen. Das ist besonders pikant, weil in Libyen auch deutsche G 36-Sturmgewehre aufgetaucht sind. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die baden-württembergische Waffenschmiede Heckler&Koch. Trotz aller Ausfuhrverbote lieferten die EU-Staaten allein 2009 Rüstungsgüter im Wert von 344 Millionen Euro. Für 2010 hatte Tripolis Waffenimporte im Umfang von 1,5 Milliarden Euro mit Moskau vereinbart.
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