Mediale Abstumpfung

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

»Eine neue Hiobsbotschaft aus Japan: Im Reaktor 2 des havarierten AKW Fukushima-1 gibt es Anzeichen für eine erneute Kernspaltung«. Das ist nicht etwa eine Meldung vom März, sondern von Anfang November dieses Jahres. Damit war das Atomkraftwerk für kurze Zeit wieder auf den vorderen Seiten der Zeitungen. Doch ansonsten hätte man in den letzten Wochen den Eindruck haben können, der Gau habe gar nicht stattgefunden. Die vierfache Reaktorhavarie im fernen Japan war aus der öffentlichen Diskussion weitgehend verschwunden. Mit dem Ausstiegsbeschluss war in Deutschland der Höhepunkt der AKW-Debatte erreicht. Danach ging das Interesse rapide zurück.

Dabei hatten Wissenschaftler schon im März erklärt, dass die Reaktoren noch lange nicht unter Kontrolle und deshalb unvorgesehene chemische und physikalische Prozesse bis zu weiteren Kernschmelzen jederzeit möglich sind. Mittlerweile wurde auch bekannt, dass die Menge der ausgetretenen Radioaktivität bisher eher zu niedrig als zu hoch eingeschätzt wurde. Große Aufmerksamkeit erreichten diese Meldungen dann aber nicht mehr.

Das ist auch eine Folge der Berichterstattung vom Frühjahr dieses Jahres. Wochenlange Sondersendungen und immer aktuelle Liverticker vermittelten in den seltensten Fällen konkrete Informationen. Viel zu oft wurde wegen der unklaren Nachrichtenlage auf Spekulationen und Mutmaßungen zurückgegriffen. Alle möglichen Katastrophenszenarien wurden in den schwärzesten Farben ausgemalt. Manche Japan-Korrespondenten hatten im März eilig ihre Koffer gepackt und das Land verlassen. Die Dauernachrichten mit mäßigem Informationswert sorgten bei vielen Medienkonsumenten bald für Übersättigung und Überforderung. Anfangs hielt die Furcht vor den möglichen Auswirkungen des Gaus viele Menschen vor dem Bildschirm, doch spätestens in der zweiten Woche wurde vielerorts weggeschaltet, wenn wieder eine Sendung zu Fukushima angekündigt wurde.

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