Streitthema Zuwanderung

Deutsch-Französisches Forum diskutierte über Integration und Willkommenskultur

  • Charlotte Noblet
  • Lesedauer: 2 Min.
Migration und Integration - nationale Herausforderungen, europäische Perspektiven, so lautete dieser Tage das Motto eines deutsch-französisches Forums.

Das Thema Zuwanderung und Integration sei hochaktuell. Das zeigten schon die Auseinandersetzungen um eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengenraum wegen der Flüchtlingsbewegung aus Nordafrika, unterstreicht Martin Koopmann. Er ist Vorstandsmitglied der Stiftung Genshagen, dem Berlin-Brandenburgischen Institut für Deutsch-Französische Zusammenarbeit in Europa. Es existiert seit 1993 und hat seinen Sitz im Ortsteil Genshagen der Stadt Ludwigsfelde im Kreis Teltow-Fläming. In einer kritische Phase der europäischen Integration wie derzeit seien die deutsch-französische Beziehungen von besonderer Bedeutung.

Deutschland und Frankreich sind Einwanderungsländer mit etwa zehn Prozent Ausländeranteil in der Bevölkerung und weiteren zehn Prozent Einwohnern mit Migrationshintergrund, doch unterscheiden sich die Vorstellungen beider Staaten in Sachen Integration und Zuwanderung. In Deutschland etwa ist die Migration stark mit dem Arbeitsmarkt und der demografischen Entwicklung verbunden, in Frankreich vor allem mit den einstigen Kolonien. »Frankreich scheint bessere Voraussetzungen für eine gelungene Integration zu haben, da Sprache und Staatsbürgerschaft keine Streitthemen sind«, sagt Reiner Klingholz, Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. »Dafür sind die Migranten in Deutschland heterogener, so dass die Gefahr von Parallelgesellschaften geringer ist.«

Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutsche Telekom, runzelt an dieser Stelle die Stirn: »Wichtig ist doch vor allem, dass Teilhabe und Teilnahme an der Mehrheitsgesellschaft gewährleistet werden. Deutschland ist eine Kastengesellschaft geblieben.« Er bedauert die mangelhafte Willkommenskultur in Deutschland: »2020 werden 2,4 Millionen Fachkräfte in Deutschland fehlen. Umso mehr ist es schade um die Abwanderung von gut ausgebildeten Türken, die hier geboren sind, aber ihren Platz nicht bekommen.«

Çiçek Bacik, Vorstandsmitglied des Türkischen Bunds in Berlin-Brandenburg nickt: »Viele haben die Debatten über Integration satt. 50 Jahre nach Unterzeichnung des Anwerbevertrages zwischen der Bundesrepublik und Türkei gibt es noch immer kein Kommunalwahlrecht und kein Recht auf Mehrfachstaatsbürgerschaft für alle Einwohner.«

Über das Unwohlsein der Einwohner mit Migrationshintergrund in Frankreich spricht die Soziologin Mirna Saf. Sie stellt fest, dass Personen, die »auffallen«, und vor allem jene, die dem Islam anhängen, als »nicht integriert« betrachtet werden.

Über die Herkunftsländer der Einwanderer werde allerdings in diesem Zusammenhang viel zu wenig gesprochen, bemerkte der aus Algerein stammende Schriftsteller Boualem Sansal. Sie gehörten aber auch zum Integrationsprozess. Der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels wünscht sich einen Integrationsprozess noch vor den Grenzen, insbesondere auf den Feldern Geschichte, Kultur, Gesetze und Werte.

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