Jefferson County zahlt nicht mehr

Bisher größte kommunale Pleite in den USA - Auch die BayernLB ist betroffen

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
In den USA gehen immer mehr Gemeinden pleite. Jefferson County ist mit 4,2 Milliarden Dollar Schulden das bisher größte Opfer der kommunalen Schuldenkrise.

Jefferson County ist mit 660 000 Einwohnern der größte Bezirk im US-Südstaat Alabama. Nun ist es auch der bislang größte Fall einer kommunalen Pleite. Am Mittwoch beantragte der Bezirk Gläubigerschutz. Er kann Zinsen für Schulden von 4,2 Milliarden Dollar nicht mehr zahlen.

Die Schulden stammen aus den 1990er Jahren. Damals ordnete ein Bundesrichter die Reparatur des antiquierten Abwassersystems an. Dafür gab Jefferson County Anleihen aus, deren Zinsen aber immer weiter anzogen - bis sie mit den Einnahmen aus den Abwassergebühren nicht mehr gezahlt werden konnten. Hinzu kam Korruption. Jefferson County stellte die Zinszahlungen ein, weil Bestechungsfälle im Zusammenhang mit den Schulden ans Licht kamen. Vier Beamte sowie 17 Privatleute und Firmen wurden verurteilt. Der wichtigste Financier, die Großbank JPMorgan, einigte sich 2009 mit der US-Börsenaufsicht SEC auf die Zahlung von 722 Millionen Dollar, erkannte aber keine Schuld an.

Seither hat ein vom Gericht ernannter Treuhänder die Aufsicht über das Abwassersystem, die Schulden eingeschlossen. Der Bezirk verhandelte mit ihm wie auch mit Banken und dem Bundesstaat über eine Umschuldung. Im September konnte mit den Banken eine Einigung erzielt werden. Diese verzichteten auf eine Milliarde Dollar und erklärten sich zur Refinanzierung von weiteren zwei Milliarden bereit. Im Gegenzug sollten die Abwassergebühren um 25 Prozent angehoben werden. Dagegen liefen die Bewohner Sturm. »Wir wollen nicht dafür zahlen, dass sie Betrüger sind«, sagt der Taxifahrer David Walton. Ein Gericht erklärte die Erhöhung für verfassungswidrig. Der Kongress des Bundesstaats wiederum weigerte sich, den Bezirk zu refinanzieren oder neue Steuern zu genehmigen. Daher beantragt Jefferson County nun, unter Gläubigerschutz gestellt zu werden. Die Bezirksräte wollen dies für eine Umschuldung nutzen - und den Bundesstaat überzeugen, dass sie neue Steuern brauchen.

Damit steht der Bezirk nicht allein. Mit Harrisburg verhandelt gerade erstmals die Hauptstadt eines Bundesstaates über einen Bankrott. Der Gouverneur Pennsylvanias versucht das zu verhindern. Central Falls in Rhode Island ist schon bankrott und wird von einem Treuhänder verwaltet. Die Stadt Vallejo in Kalifornien hat gerade einen Bankrott hinter sich.

Die Pleite Jefferson Countys hat Folgen weit über die eigenen Grenzen hinaus. In den USA haben viele sicherheitsbewusste Anleger ihre Ersparnisse in Gemeindeobligationen gesteckt, insgesamt 2,8 Billionen Dollar. Angesichts der Konkursmeldungen versuchen nun viele ihre Papiere zu verkaufen. In den vergangenen zwei Jahren ist deren Wert um 30 Milliarden Dollar gesunken. Das macht es Gebietskörperschaften überall in den USA schwer, an Geld zu kommen.

Diesmal werden auch Steuerzahler anderswo leiden müssen: Zu den Gläubigern von Jefferson County gehört auch die Bayerische Landesbank. Sie hat Forderungen in Höhe von 52,1 Millionen Dollar. Jefferson County ist auch da kein Einzelfall: Allein 17 deutsche Banken sollen 38 Milliarden an US-Kommunalanleihen halten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal