Wenn Christen Fremde hassen

Rechtsextremismus auch in Kirchen ein Problem / Präses für »öffentliche Missbilligung«

  • Hendrik Lasch, Wittenberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Rechtsextremistische Ansichten sind auch unter Protestanten verbreitet - obwohl das den Kernbotschaften ihres Glaubens widerspricht. Hohe Würdenträger verlangen deutliche Worte.

Wenn in Kommunen gegen braune Aufmärsche mobilisiert wird, gibt es in der Regel eine Institution, auf deren Engagement gebaut werden kann: die Kirche. Pfarrer und Kirchenvorstände sprechen oft klare Worte; nicht selten öffnen sie ihre Häuser für engagierten Protest. Die Kirche, so scheint es, ist eine feste Burg gegen braune Ideen.

Nicht ganz, sagt Beate Küpper, die an der renommierten Bielefelder Studie über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit mitarbeitet. Bei der ersten Arbeitstagung der 2010 gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) »Kirche und Rechtsextremismus« in der Lutherstadt Wittenberg betonte sie, dass »Religion nicht vor Vorurteilen schützt - im Gegenteil«. Fremdenfeindliche Einstellungen etwa teilten 54 Prozent der nicht gläubigen Ostdeutschen; unter Protestanten liegt der Wert bei 66 Prozent. Im Westen sind es immerhin noch klar über 50 Prozent. Auch »harte rassistische Aussagen« wie die, dass Weiße zu Recht in der Welt führend seien, finden unter Protestanten und Katholiken deutlich mehr Zustimmung als beim Rest der Bevölkerung.

Über die Gründe sind sich die Forscher noch im Unklaren. Gläubige seien oft älter, nicht immer gut gebildet sowie Autoritäten zugeneigt, sagt Küpper, betont aber, es gebe »etwas in der Religiosität jenseits dieser Variablen«, das für Rassismus, Sexismus oder Homophobie anfällig mache.

Unter Protestanten sorgen derlei Erkenntnisse oft für Unglauben oder Abwehr, gesteht Christhard Wagner, Landesbeauftragter der Evangelischen Kirche in Thüringen, der allerdings auch aufgrund alltäglicher Erfahrungen nicht daran zweifelt, dass »Christen Teil des Problems« sind. Wenn die Kirche gegen Rechts auftrete, erfülle sie daher nicht nur eine »gesellschaftsdiakonische«, sondern auch eine innerkirchliche Aufgabe: »Wir sitzen im Glashaus«, räumt er ein.

Solche Einsichten sorgten dafür, dass im Namen der BAG nicht das Wort »gegen« steht, sondern »und«, erklärt Koordinator Friedemann Bringt: »Wir müssen auch in unserem eigenen Haus kehren.« Das, sagt Nikolaus Schneider, Präses der Synode der Evangelischen Kirche, gelte um so mehr, als Fremdenhass und Herabstufung ganzer Gruppen im Widerspruch zu vielen »Kernbotschaften« des christlichen Glaubens stehe.

Schneider bezeichnet den Widerstand gegen rechte Gesinnungen daher als einen »wesentlichen Teil des Wächteramtes« der Kirche - und verlangt, auch in der eigenen Institution klare Worte zu finden. Mitglieder rechtsextremer Parteien etwa dürfe man »weder in haupt- noch in ehrenamtlichen Positionen dulden«. Und auch bei einfachen Mitgliedern, die Fremdenhass äußerten oder die NS-Zeit verharmlosten, sei die »öffentliche Missbilligung« geboten und eine »deutliche Mahnung angezeigt«.

Nur so wird das breite öffentliche Engagement der Protestanten gegen Rechts glaubwürdig, das die Synode erst vorige Woche in Magdeburg mit einem Beschluss bekräftigt hat. Darin fordert sie, alles zu unterlassen, was das »bürgerschaftliche Engagement behindert oder entmutigt«. Und mit Blick auf den 13. Februar in Dresden äußert das höchste Organ der evangelischen Kirche unmissverständlich: »Wir haben Verständnis für Menschen, die aus Gewissensgründen Neonazidemonstrationen gewaltfrei blockieren.«

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