Zeitung als Kollektiv

Die linke Monatszeitung »analyse & kritik« feiert ihr 40-jähriges Bestehen und einen Relaunch

  • Gaston Kirsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Zeitung als Kollektiv

Eine linke Monatszeitung - das klingt ungewöhnlich, aber etliche der selbstfinanzierten Medien aus der westdeutschen radikalen Linken entdeckten den günstigeren Zeitungsrollenoffset für sich: Gedruckt auf Zeitungspapier, aber voller Hintergrundartikel, die über den Tag hinaus Bedeutung haben sollen. Wie bei »analyse & kritik«, der »Zeitung für linke Debatte und Praxis« aus Hamburg. Diesen Freitag feiert sie Jubiläum. 1971 erschien die erste Ausgabe unter dem Namen »Arbeiterkampf«, mit der programmatischen Unterzeile »Arbeiterzeitung des Kommunistischen Bundes«.

In dieser Zeit erschienen in Westdeutschland und Westberlin zahlreiche Zentralorgane von Organisationen, die sich als Avantgarde einer neuen Kommunistischen Partei verstanden. Der »AK« war anders. Die Unabhängigkeit von einem sich sozialistisch verstehenden Staat ermöglichte Staatsferne und Offenheit. Der »AK« öffnete sich bald neuen Themen, die über die klassische Agenda der Arbeiterbewegung hinausgingen. Viele Mitglieder des Kommunistischen Bundes (KB) brachten sich gegenseitig bei, für Artikel zu recherchieren - das wurde Untersuchungsarbeit genannt, die in thematischen, Kommissionen genannten, Arbeitsgruppen betrieben wurde. Einen guten Ruf in weiten Kreisen der radikalen Linken hatten damals etwa die internationalistische und die Antifa-Berichterstattung des »AK«.

Die Zuarbeit für die Zeitung war das wichtigste Betätigungsfeld im KB. Neben den Artikeln wurden auch das Layout, der Vertrieb und der Handverkauf auf der Straße und bei linken Aktionen neben der eigenen Berufstätigkeit geleistet. Die Kehrseite davon war, dass im KB kaum kollektiv diskutiert werden konnte - alles lief vertikal in der Zeitung zusammen.

Spaltung und neuer Name

So lassen sich retrospektiv etwa der Aufstieg und Niedergang der Anti-AKW-Bewegung aus den Ausgaben des AK herauslesen, auch die bedeutende Rolle der massiven Repression der westdeutschen Staatsapparate hierbei. Der Parteibildungsprozess der Grünen um 1980 und Versuche von linker Seite, hier Einfluss zu nehmen, sind ausführlich dokumentiert. Der »Sog in die Grünen« spaltete damals den KB. Eine Fraktion trat aus und den Grünen bei. Darunter bekannte Ökosozialisten wie Thomas Ebermann oder der heutige nd-Chefredakteur Jürgen Reents.

Als ein Jahrzehnt später die DDR zusammenbrach, fiel das auch dem verbliebenen KB auf die Füße. Eine gemeinsame Verständigung darüber, wie auf diesen epochalen Einschnitt für linke Politik reagiert werden sollte, war nicht mehr möglich: Sich dem Mitmachen verweigern und die Kritik von deutscher Nation, Rassismus und Wiedervereinigung ins Zen-trum zu stellen, oder in der sich auflösenden DDR nach möglichst großen BündnispartnerInnen für eine linke Intervention zu suchen, um die schädlichen Auswirkungen der Wiedervereinigung zu bekämpfen. Nach den Volkskammerwahlen vom März 1990 waren viele Westlinke von der PDS und deren aus ihrer Sicht großen Anhängerschaft begeistert, während andere die »Nie wieder Deutschland«-Kampagne starteten.

Der KB hat sich an dieser grundsätzlichen Kontroverse gespalten. Eine Jahr lang gaben in einem einmaligen journalistischen Experiment zwei Redaktionshälften, je eine aus den Nachfolgegruppen der Mehrheit und der Minderheit des KB, den AK gemeinsam heraus. Produktiver Pluralismus oder destruktives Gegeneinander? Die Meinungen hierzu gingen weit auseinander - auch heute noch unter den damaligen RedakteurInnen. Die an der PDS interessierte Mehrheit war 1992 nicht mehr bereit, mit der Minderheit gemeinsam den AK herauszugeben. Nach einer Umbenennung in »analyse & kritik« war und ist die Zeitung weiterhin ein wichtiges Medium für radikale Linke - nur eben ohne die Minderheit, die sich Gruppe K nannte und das Zirkular Bahamas herausbrachte. Das blieb aber ein kurzes Intermezzo. Ende 1995 war die Luft raus, die Hamburger Redaktion der »Bahamas« löste sich auf und übergab den Titel einer Berliner Gruppe, die daraus etwas entwickelte, was mit dem Zirkular aus Hamburg nur mehr den Namen gemein hat.

»a & k« sieht anders aus

Ganz anders die »a & k« - nachdem Mitte der 90er Jahre einige langjährige RedakteurInnen publizistische und andere Aufgaben bei der PDS übernommen hatten, kam es zu einer Verjüngung der Redaktion durch undogmatische, radikale Linke wie Maike Zimmermann, die aus Antifa-Projekten kommt: »Die Bewegungsnähe ist uns wichtig. Aber genauso wichtig ist es uns, Debatten anzustoßen oder zu organisieren. Dafür machen wir uns gezielt auf die Suche und versuchen, auch verschiedenen Positionen Raum zu geben.« Die Zeitung funktioniert dabei selbstverwaltet: »Als Kollektiv mit unterschiedlichen Schwerpunkten in der Arbeit und unterschiedlich starker Einbindung«, so die langjährige Redakteurin Gabi Bauer - sie ist seit 1972 dabei, hat sich bei AK und KB ihre »politische Sozialisation und Bildung« angeeignet: Die »Erfahrung, dass Dinge verändert werden können, wenn sie gemeinsam angepackt werden«. Kollektiv zu arbeiten ist auch für Zimmermann wichtig: »Im Zweifel werden Entscheidungen gemeinsam von allen getroffen, es gibt keinen Chefredakteur, der bestimmt, wo es lang geht.«

Derzeit erlebt a & k eine kleine Renaissance, wie die Redaktion in ihrer Einladung zur Jubiläumsfeier schreibt: »Bei der Geburtstagsfeier soll es aber auch inhaltlich hoch hergehen: Wozu braucht man heute noch eine linke Zeitung? Warum starten wir jetzt mit einem Relaunch?« Denn am Freitag wird in Hamburg nicht nur gefeiert mit Livebands, DJanes und dem kleinen Überraschungsfilm »Vom KB zu a & k«: Am gleichen Tag erscheint auch die erste Ausgabe nach dem Relaunch. »›a & k‹ sieht jetzt echt anders aus! Aber es ist nicht nur ein neues Layout. Wir haben auch viel über Textformate, Redaktionsarbeit, Lesehürden gesprochen.« Zuvor diskutierte die Zeitungsgruppe die Rundumerneuerung, so Zimmermann: »Wir haben in den letzten zwei Jahren viel diskutiert. Darüber, was wir sind, was wir sein wollen, was wir an ›a & k‹ wichtig finden, wie ›a & k‹ in die Zukunft gehen soll.« Auch die LeserInnen haben sich mit Diskussionsbeiträgen und Blattkritik beteiligt. Auf die Frage, wozu heute noch eine gedruckte linke Zeitung gebraucht wird, hat Gabi Bauer eine Antwort: »Dafür sollten alle unser Thema in der neuen Ausgabe lesen, insbesondere den Artikel der Redaktion.«

18. November, ab 20 Uhr, Golem, Große Elbstraße 14, Hamburg
Internet: www.akweb.de

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