Ärger wegen der Sperrminorität

Erneut klagt Brüssel gegen Einfluss Niedersachsens bei VW / Dem Bund droht Millionenstrafe

  • Lesedauer: 2 Min.
Sichert das VW-Gesetz Jobs und Arbeitnehmerrechte oder behindert es Investoren? Die EU-Kommission klagt erneut.

Brüssel (dpa/nd). In dem seit zehn Jahren schwelenden Streit um das VW-Gesetz zieht die EU-Kommission zum zweiten Mal vor den Europäischen Gerichtshof und fordert eine Änderung der historischen Regelung bei Volkswagen. Die »ungerechtfertigte Sonderstellung« des Landes Niedersachsen bei dem Autobauer verstoße gegen EU-Recht und müsse abgeschafft werden, teilte die Behörde am Donnerstag in Brüssel mit. Ändert die Bundesregierung das Gesetz nicht, verlangt die Kommission eine Strafe von mindestens 46,5 Millionen Euro. Diesen Betrag müsste die Bundesrepublik und nicht VW selbst zahlen.

Die EU-Kommission erwartet, dass die Bundesregierung den Passus im Gesetz abschafft, der Niedersachsen mit einem Anteil von 20 Prozent eine Sperrminorität bei dem Wolfsburger Autobauer sichert. Allgemein üblich im Aktienrecht sind dafür 25 Prozent.

Politiker und Gewerkschaften fürchten um den Schutzwall für den Autobauer und die Mitbestimmung. Schon im Vorfeld hatte es daher Kritik an der neuen Klage gehagelt. »EU-Binnenmarktkommissar (Michel) Barnier ist ein neoliberaler Brandstifter«, wetterte der niedersächsische IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine am Donnerstag. Ministerpräsident David McAllister (CDU) bezeichnete die Klage als »grotesk«. Das VW-Gesetz sei EU-rechtskonform.

Es bevorzuge staatliche Aktionäre gegenüber privaten Investoren, begründete hingegen die Sprecherin von Kommissar Barnier die Klage, die in den nächsten Wochen eingereicht werde. Die Regelung schrecke potenzielle Investoren ab, behindere Innovationen und könne zu steigenden Preisen führen. Dies sei ein Verstoß gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs.

Nach Ansicht von Diplomaten gibt es für Volkswagen aber ein Schlupfloch, auch nach einer Streichung des strittigen Passus' dem Land noch eine Sperrminorität einzuräumen. »Die Hauptversammlung kann solche Vorschriften beschließen. Dies muss sie aber aus freiem Willen tun, ohne dass ein Gesetz es vorschreibt«, sagte ein EU-Diplomat.

Nach einem ersten Urteil von 2007 hatte die Bundesregierung zwei der drei strittigen Punkte des VW-Gesetzes gestrichen. Damals wurde das Recht von Bund und Land abgeschafft, zwei Vertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden. Außerdem wurde die Stimmrechtsbeschränkung aufgehoben, wonach kein privater Aktionär nicht mehr als 20 Prozent der Stimmrechte ausüben darf. Die Sperrminorität blieb aber erhalten. Die Kommission weigerte sich daher, das Verfahren einzustellen, legte es aber drei Jahre lang auf Eis. Sie geht ausdrücklich nicht gegen die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vor. So bedarf auch laut novelliertem VW-Gesetz die Errichtung und Verlegung von Produktionsstätten einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Aufsichtsrat.

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