Ruhrpott unter Strom

Einst Freunde, heute Erzfeinde: Borussia Dortmund empfängt Schalke 04

Nach großem Fußball klingt es eigentlich nicht: Lüdenscheid-Nord trifft heute auf Herne-West. Tatsächlich elektrisiert das Duell den ganzen Ruhrpott und sorgt für weltweite Aufmerksamkeit als die Mutter aller Derbys in Deutschland. Heute empfängt Borussia Dortmund den FC Schalke 04 - vor dem 139. Pflichtspiel beider Klubs gegeneinander ist von der frühen Freundschaft nichts mehr übrig.

Die 80 000 Fans im Stadion haben viel gemeinsam: Übergroße Liebe und unglaubliche Treue zum eigenen Verein sowie eine innig gepflegte Rivalität zum Gegner, dessen Namen auszusprechen für viele als Hochverrat gilt. So reden Dortmunder von Herne-West, in Gelsenkirchen kommt der Erzfeind aus Lüdenscheid-Nord. Die Atmosphäre wird wieder hitzig sein, mit Inbrunst und Leidenschaft werden die eigenen Spieler angefeuert, die des Gegners verteufelt.

Huub Stevens weiß, was zu tun ist. »Wenn du auf die Gelbe Wand spielst, musst du cool bleiben«, kennt Schalkes Trainer die Dortmunder Südtribüne. Mit 25 000 Plätzen ist sie die größte Stehplatztribüne Europas. Die Stimmung ist einzigartig. »Bist du der Gegner, erdrückt sie dich«, freut sich Roman Weidenfeller. Kein Wunder. Der Torwart des BVB hat die Fans im Rücken, und »das ist ein fantastisches Gefühl«.

In der Vergangenheit kochten die Emotionen rund um das ewige Duell im Westen nicht selten über. Um erneute Ausschreitungen zu verhindern, haben sich beide Vereine mit einem Ehrenkodex an die Fans gewandt. Keine Gewalt, keine Pyrotechnik, keine diskriminierenden und rassistischen Äußerungen lautet der Aufruf im Kern. Mit einem dreiseitigen Fanbrief appellierte auch die Polizei an die Vernunft der Anhänger. Mehr als tausend Beamte sichern das Spiel ab, die legendären Derbymärsche sind verboten. Sonst wären heute wieder unzählige Schalker geschlossen durch Dortmund zum Stadion gelaufen. »Das würden die BVB-Fans als Verletzung ihres Zuständigkeitsbereiches sehen«, erklärte Polizeidirektor Peter Andres das Verbot.

Soweit ist es gekommen. Das war einst anders. Heute unglaublich, damals aber wahr: Die Gründungsfarben der Borussia im Jahr 1909 waren blau und weiß. Der erste verantwortliche BVB-Trainer hieß Fritz Thelen, davor stürmte er für Schalke. Als erste Fußballmannschaft trug sich der FC Schalke 1934 in das Goldene Buch der Stadt Dortmund ein. Die Knappen waren erstmals Deutscher Meister und wurden von einer jubelnden Menschenmenge empfangen. »Es herrschte eine tiefe Sympathie zwischen beiden Vereinen«, bestätigte der ehemalige BVB-Sprecher Gerd Kolbe einmal.

Wie tief die Abneigung heute sitzt, zeigt, dass neben den Fans selbst Spieler sie verinnerlicht haben. Er hasse Schalke wie die Pest, macht Kevin Großkreutz keinen Hehl daraus, wer sein »Feindbild Nummer eins« sei. Vor der Partie sprach S04-Akteur Lewis Holtby von dem Spiel bei »den anderen«. Als ärgste Rivalen begegnen sich die Teams heute auch auf der sportlichen Ebene. Zum Spitzenspiel der Bundesliga reist der Vierte Schalke die knapp 40 Kilometer zum Zweiten nach Dortmund. In der Tabelle trennt beide nur ein Punkt. Und wäre es am Ende der Saison nur die Tordifferenz - für viele ist es wichtiger vor dem Erzfeind platziert zu sein, als Meisterschaften und Pokale zu gewinnen.

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