Schrecken ohne Ende

  • Dierk Hirschel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor leitet den Bereich Wirtschaftspolitik in der Bundesverwaltung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Der Autor leitet den Bereich Wirtschaftspolitik in der Bundesverwaltung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Die Krise spitzt sich weiter zu. Sparpakete erwürgen die europäische Wirtschaft. Dem Euroland droht eine Rezession. Europäische Banken müssen von Zentralbankern bereits notbeatmet werden. Gleichzeitig machen Spekulanten Jagd auf die Euroschwergewichte. Investmentbanker und Hedge-Fonds-Manager wetten auf den Untergang Roms. Während der italienische Wachstumsmotor stottert, explodieren die Zinsen. Ganze acht Prozent zahlt Mario Monti jetzt, wenn er neue Kredite aufnimmt. Bald ist Italien pleite.

Da ist guter Rat teuer. Verzweifelt basteln Merkel, Sarkozy und Kollegen an einem XXL-Rettungsschirm. Bisher ohne Erfolg. Die europäischen Staatschefs konnten ausländische Investoren nicht für die Eurorettung begeistern. Chinesen, Brasilianer und Inder werfen keinen Cent in die Sammelbüchse der Euroretter. Sie scheuen die Risiken. Folglich ist die Euro-Feuerwehr noch immer nicht einsatzfähig. Wenn aber die Rettung Italiens misslingt, dann ist der Euro schon bald Geschichte.

Auf der Euro-Intensivstation muss jetzt notoperiert werden. Lediglich Eurobonds oder die Geldpresse der Notenbanker können den Zusammenbruch des Währungsraums noch verhindern. Gemeinsame europäische Schuldtitel würden die öffentlichen Finanzierungskosten von Athen bis Madrid deutlich senken. Wobei die Einführung von Eurobonds vermutlich zu lange dauert. Zeit, die wir nicht mehr haben. Alternativ könnte die Zentralbank so lange Staatspapiere kaufen, bis die Zinsen der Krisenländer auf ein erträgliches Niveau gefallen sind. Gegen die unendliche Finanzkraft der Zentralbank hätten auch hartnäckige Spekulanten keine Chance. Doch Angela Merkel hört nicht die Signale. Die Kanzlerin sagt zu allem nein. Die nationale Staatsfinanzierung darf aus ihrer Sicht weder vergemeinschaftet noch von den Kapitalmärkten entkoppelt werden. So wird eine europäische Lösung der Krise verhindert. Die Finanzmärkte sollen also auch weiterhin über den Preis bestimmen, zu dem sich Staaten frisches Geld leihen können.

Um trotzdem populäre Unterstützung für ihren Blockadekurs zu bekommen, schürt Merkel gemeinsam mit der Bundesbank Inflationsängste. Wenn die Zentralbank im großen Stil Anleihen kauft, galoppieren angeblich die Preise. Der weitere Krisenverlauf wird Merkel jedoch dazu zwingen, erneut ihren Kurs zu ändern. Wenn Italien oder Spanien vor dem Kollaps stehen, wird die Kanzlerin ihren Widerstand gegen eine aktivere Rolle der Währungswächter aufgeben. Einen Zusammenbruch des Währungsraums wird die CDU-Chefin nicht riskieren. Sobald Berlin der Zentralbank grünes Licht gibt, müssen die Notenbanker retten, was noch zu retten ist. Dieser längst überfällige Schritt, würde die europäischen Staatsfinanzen endlich aus der Geiselhaft der Kapitalmärkte befreien.

Die Folgen des schwarz-gelben Zickzackkurses sind jedoch fatal. Das Vertrauen in die politische Klasse wird auf einen neuen Tiefpunkt sinken. Doch damit nicht genug. Sobald die Geldpresse der Zentralbank auf Hochtouren läuft, werden viele Bürger Angst um ihr Erspartes haben. Im schlimmsten Fall bilden sich lange Schlangen vor den Bankschaltern. Zwar sind die Ängste unberechtigt, da die Preise nicht automatisch steigen, wenn die Geldmenge größer wird. Ob berechtigt oder nicht, spielt dann aber keine Rolle mehr. Die Menschen im Lande sind tief verunsichert. So entsteht ein fruchtbarer Boden für die Henkels, Sarazins und Guttenbergs dieser Republik. Dadurch gerät Europa in immer unsichere Gewässer.

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