Merkel drängt Europa in den Abgrund

  • Sahra Wagenknecht
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Sahra Wagenknecht, Jahrgang 1969, ist stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei und wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag.
Sahra Wagenknecht, Jahrgang 1969, ist stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei und wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag.

Die sogenannte Rettungspolitik ist gescheitert. Statt Schulden zu senken, hat sie die Schulden erhöht. Statt wirtschaftlicher Stabilisierung brachte sie Rezession. Statt die Krise zu isolieren, ist jetzt die gesamte Euro-Zone erfasst. Die Finanzmärkte trieben zuletzt die Zinsen Italiens - der drittgrößten Volkswirtschaft Europas - auf ein langfristig nicht tragfähiges Niveau. Die Ausgabe von gemeinsamen europäischen Anleihen würde diese Art der Spekulation gegen einzelne Eurostaaten unmöglich machen. Die LINKE hatte sich auch deshalb bereits vor Jahren für Eurobonds ausgesprochen.

Mit Eurobonds könnte ein großer Markt für europäische Staatsanleihen geschaffen und die Position des Euro gegenüber dem US-Dollar gestärkt werden. Kanzlerin Angela Merkel könnte die Finanzmärkte nicht mehr wie bisher als Druckmittel zur europaweiten Erpressung einer von ihr gewünschten Lohn- und Sozialdumpingpolitik einsetzen. Doch die Bundeskanzlerin will ihre Politik weiterführen. Deshalb will sie zunächst den Zwang zum permanenten Kürzen der öffentlichen Haushalte durch Automatismen und Änderungen der Europäischen Verträge festschreiben und erst dann über Eurobonds reden. Dabei müsste sie wissen, welch gefährlicher Kurs das ist. Schließlich hat Sparen in der Krise Deutschland in den 30er Jahren in den Abgrund geführt. Durch Merkels Politik besteht diese Gefahr heute für ganz Europa.

Aber selbst wenn die Eurobonds jetzt sofort eingeführt werden würden, reichten sie zur Krisenlösung nicht mehr aus. Durch die falsche Politik hat sich die Krise von der Peripherie ins Zentrum der Euro-Zone durchgefressen. Die verzweifelte Suche nach Investoren für den Europäischen Rettungsschirm EFSF zeigt, dass China und andere Investoren derzeit nicht sehr geneigt sind, massenhaft europäische Staatsanleihen zu kaufen. Selbst die Kreditwürdigkeit von Frankreich, Österreich oder Deutschland wird inzwischen von den Rating-Agenturen infrage gestellt. Damit wackelt auch die Top-Bonität für Anleihen des EFSF - und das sind quasi Eurobonds. In dieser Situation würden auch die Zinsen für Gemeinschaftsanleihen steigen. Denn das Grundproblem ist, dass Eurobonds an der Abhängigkeit der Staaten von den Finanzmärkten und Vermögensbe-sitzern nichts ändern.

Die letzte Möglichkeit, die Dauerkrise zu beenden, besteht darin, die Europäische Zentralbank (EZB) mit einzubinden. Aber nicht, indem die EZB auf dem Markt den Finanzinstituten unlimitiert Staatsanleihen abkauft. Damit würde lediglich wieder unkontrolliert Geld in die Banken gepumpt werden. Das würde zwar nicht unbedingt Inflation, aber ganz sicher die nächste große Finanzmarktblase nach sich ziehen und den viel zu groß gewordenen Finanzsektor weiter aufblähen. Die LINKE fordert stattdessen, dass Staaten ihre Kredite zinsgünstig bei einer öffentlichen Bank aufnehmen können. Diese Bank - das kann auch der EFSF mit Banklizenz sein - wiederum soll sich das Geld zu niedrigen Zinsen bei der Europäischen Zentralbank besorgen. Eine Änderung der Europäischen Verträge wäre dazu wohl nicht notwendig. Bei dieser Lösung wäre die Finanzierung der öffentlichen Haushalte von der Willkür der Finanzmärkte befreit. Ausgabenkürzungen wären durch die Androhung hoher Zinsen nicht mehr erpressbar. Überschuldete Staaten könnten nun durch einen Schuldenschnitt entlastet werden, ohne dass durch einen Dominoeffekt die Finanzierungsbedingungen anderer Länder verschlechtert würden.

Bei der Finanzierung des Haushaltsdefizits durch eine öffentliche Bank werden die Kredite nicht mehr zur Aufblähung von Bankbilanzen eingesetzt. Stattdessen werden die Kredite zur Finanzierung sinnvoller Staatsausgaben eingesetzt. Werden die öffentlichen Haushalte durch einen Schuldenschnitt, niedrigere Zinsen und eine stärkere Besteuerung von Reichtum und Profiten auf eine solide Grundlage gestellt, besteht dadurch keine Inflationsgefahr.

Allerdings würde auch eine Banklizenz für den EFSF allein die Eurokrise nicht lösen. Dazu müssten auch die Außenhandelsungleichgewichte und das Steuerdumping beseitigt werden. Es ist deshalb wichtig, in Deutschland steigende Löhne und Sozialausgaben zu erkämpfen. Außerdem müssten zusätzlich die Banken vergesellschaftet und streng reguliert werden, damit in Zukunft gewährleistet ist, dass der Bankensektor auf seine dienende Funktion für die Realwirtschaft beschränkt bleibt. Dabei wird es einmalig notwendig sein, dass Banken und Versicherungen durch öffentliche Mittel saniert werden, bzw. Kosten bei deren Abwicklung gedeckt werden. Das Geld dafür sollte sozialverträglich durch eine einmalige europaweite Vermögensabgabe für Millionäre erhoben werden. Eine gerechtere Verteilung von Vermögen und Einkommen muss in der Summe aller Maßnahmen das Ergebnis sein. Sonst ist diese fundamentale Krise nicht lösbar.

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