Geistlicher Beistand für Prügler

Recherchen bei Evangelikalen in Niedersachsen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Laut einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen wird besonders in evangelikalen freikirchlichen Gemeinden von manchen Eltern gern geprügelt. Bei »Bibel TV« gab es sogar praktische Tipps für diese Art Erziehung.

»Stecke deine Rute ein - ich will auch immer artig sein!« So heißt es in einem Nikolausgedicht, das heutzutage wohl nur noch wenige Kinder bei Auftritten des weißbärtigen Gabenbringers aufsagen müssen. Körperliche Züchtigung ist verboten und eigentlich kein Thema mehr für Weihnachtsverse. Doch der Rohrstock wird von manchen Eltern noch immer für ein gutes Erziehungsmittel gehalten - nicht selten in besonders »frommen« Familien, die bei ihrem Tun auch noch »geistlichen Beistand« von fundamentalistischer Seite erfahren. Das ergaben Recherchen des NDR in Niedersachsen.

Anzeige erstattet

Zum Schlagen ermuntert werden Eltern beispielsweise von dem evangelikalen Prediger Wilfried Plock, der seine Ansichten auf Vortragsreisen verbreitet. Er schämt sich nicht, seinen Zuhörern zu berichten, wie er selbst seine Kinder malträtiert hat, als sie Süßigkeiten stibitzt hatten: »Es war klar. Der Sohn bekommt zehn Schläge mit dem Stock auf den Po und die Tochter fünf. Das hat beiden weh getan, das soll weh tun!«

Bei »Bibel TV« war lange ein Video zu sehen, in dem ein anderer Prediger praktische Tipps gab: Man möge Kinder mit einem Stock schlagen. Der Redner zeigte, wie lang so ein Prügelinstrument sein sollte. Als sich jetzt Journalisten für dieses Video interessierten, entfernte »Bibel TV« den Clip, distanzierte sich vom Inhalt und behauptete, das Filmchen sei versehentlich ins Programm gekommen.

Wie der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, Christian Pfeiffer, sinngemäß berichtete, werde laut einer Studie seines Hauses besonders in evangelikalen freikirchlichen Gemeinden von manchen Eltern gern geprügelt. Diese berufen sich dabei auf biblische Weisungen. Und in der Tat finden Gläubige, die Bibeltexte wörtlich verstehen, darin allerlei Prügel-Empfehlungen. Im etwa 2200 Jahre alten »Buch Jesus Sirach« - er hat nichts mit Jesus Christus zu tun - rät der Verfasser: »Lass einem Kind nicht seinen Willen; versohle ihm den Hintern« und: »Wer seinen Sohn liebt, schlägt ihn häufig mit dem Stock.« Im noch älteren »Buch der Sprüche«, heißt es: »Stock und Tadel bringen ein Kind zur Vernunft«.

Nach wie vor sind fundamentalistische »Erziehungsratgeber« zu haben, in denen körperliche Züchtigung empfohlen wird. Die evangelisch-lutherische Landeskirche verurteilt derartige Ratschläge »aufs Schärfste«. Vor die Evangelikalen stellt sich Wolfgang Baake vom Christlichen Medienverbund. Er verwahrt sich gegen Verallgemeinerungen und betont: »Evangelikale Christen erziehen ihre Kinder liebevoll.«

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen, Miriam Staudte, hat Strafanzeige erstattet: Gegen Herausgeber evangelikalen Schrifttums, in dem zum Prügeln geraten wird und gegen Prediger Plock. »Wer Kinder schlägt, schädigt die Entwicklung für das ganze Leben«, mahnt die Politikerin.

Auch für Eltern verboten

Prügel gegen Kinder seien ein klarer Verstoß gegen die Menschenrechte, gegen die UN-Kinderrechtskonvention und gegen das Gesetz, unterstreicht die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Pia Zimmermann, und erinnert: In Deutschland wurde die Prügelstrafe im Jahr 2000 auch für Erziehungsberechtigte verboten. Schläge und auch die Werbung dafür hätten nichts mit christlichen Werten wie Verzeihen oder Vergeben zu tun. »Anscheinend haben die betreffenden Fundamentalisten vergessen, dass Jesus Christus die archaischen Losungen des Alten Testaments wie ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹ durch das Wort ›Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst‹ und den Aufruf zur Gewaltlosigkeit ersetzt hat.«

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