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Lobbyisten gegen Fische

  • Sebastian Buschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist Umweltökonom und Meeresschutzexperte bei Greenpeace Deutschland.
Der Autor ist Umweltökonom und Meeresschutzexperte bei Greenpeace Deutschland.

Die Vereinigten Staaten haben jüngst beinahe das geschafft, wovon die Europäische Union derzeit noch meilenweit entfernt zu sein scheint: wissenschaftsbasierte Beschränkungen auf den Fischfang. So deckt mittlerweile die sogenannte Magnuson-Stevenson-Verordnung 40 der 46 kommerziell genutzten Bestände in den USA ab, bis zum Beginn der Fischereisaison in diesem Jahr sollen es 100 Prozent der Bestände sein. Ob die Verordnung auch auf Dauer Bestand haben wird, muss sich jedoch erst noch zeigen.

Beschränkungen auf den Fischfang sind natürlich auch in Europa längst eingeführt. Eine der wichtigsten stellt die jährliche Vergabe von Fangquoten an die EU-Mitgliedstaaten durch die Fischereiminister dar. Bevor es zu der Sitzung der Minister kurz vor Weihnachten kommt, erstellt die Europäische Kommission auf Grundlage von wissenschaftlichen Empfehlungen einen Vorschlag an den Ministerrat.

Die jüngste Sitzung des Fischereirates im Dezember zeigte nun einmal mehr, was passiert, wenn man die Entscheidung über die Nutzung unserer Fischressourcen zu einer politischen Handelsware macht: 79 Prozent der Empfehlungen der Kommission wurden ignoriert, darunter die Befischung des Kabeljaus im Kattegat, für die ein sofortiger Fangstopp empfohlen wurde. Den Fischereiministern genügte jedoch ein Rückgang der Fangmenge um 30 Prozent.

Der Grund für die alljährliche Missachtung wissenschaftlicher Empfehlungen bei der Quotenvergabe findet sich auf den Meeren selber. Dort machen derzeit rund 84 000 europäische Fangschiffe Jagd auf eine unserer wichtigsten Nahrungsmittelressourcen. Diese Fangschiffe verfügen dabei über eine Kapazität, die im Falle vieler Bestände das Zwei- bis Dreifache fangen könnten, als für eine nachhaltige Fischerei verträglich wäre. Ohne die überhöhten Quoten könnte somit eine Vielzahl dieser Fangschiffe nicht mehr existieren. Ein voller Erfolg also für die Lobbyisten der Fischereiindustrie.

Seit dem Jahre 1994 existiert ein eigener EU-Finanzrahmen für den Fischereisektor in Europa. Ziel war es damals, durch gezielte staatliche Subventionen die Fangflotte an die zur Verfügung stehenden Fischressourcen anzupassen. Dieser Plan ist heute leider als gescheitert zu erklären. Fördermittel fließen zu einigen wenigen Unternehmen - statt der Fischereibranche dabei zu helfen, eine nachhaltige und ökologisch vertretbare Fischerei zu etablieren. Zwar ist es gelungen, die tatsächliche Anzahl der Fangschiffe leicht zu reduzieren. Jedoch haben deren Betreiber nicht geschlafen und durch Modernisierungen an ihrer Flotte schlichtweg die Fangmöglichkeiten der übrigen Schiffe verbessert. Modernisierungen, welche übrigens ebenfalls durch EU-Fischereifonds finanziert wurden.

Solange unter europäischer Flagge zu viele Schiffe Jagd auf zu viele Fische machen, wird es die EU nicht schaffen, zu einer nachhaltigen Fischerei zu finden. Vor Kurzem äußerte sich der Europäische Rechnungshof hierzu: Er stellte fest, dass die Flottenüberkapazitäten eine der Hauptursachen für den Rückgang der Fischbestände in Europa sind.

Dieses Jahr steht eine entscheidende Weichenstellung in der europäischen Fischereipolitik ins Haus. Es wird in EU-Parlament und im Ministerrat über einen neuen Fischereifonds sowie die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik entschieden. Der deutschen Bundesregierung kommt dabei eine entscheidende Rolle zu, da sie in Brüssel ihre starke Stimme nutzen kann, um sich für eine nachhaltige und ökologische Fischerei in Europa einzusetzen - für unsere Fischressourcen und Fischer!

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