Keine Spielregeln ohne Russland
Putin präsentiert Programm für die Präsidentschaftswahl
Moskau (dpa/nd). »Die ›Spielregeln‹ in der internationalen Politik und Wirtschaft können nicht hinter dem Rücken Russlands und unserer Interessen entschieden werden«, heißt es in dem am Donnerstag im Internet veröffentlichten Wahlprogramm Putins.
Zugleich räumte Putin erstmals überraschend deutlich »übertriebene Repressionen« der Sicherheitskräfte gegen das Volk ein. »Solch eine Situation deformiert unsere Gesellschaft und macht sie moralisch ungesund«, steht auf der Internetseite www.putin2012.ru. »Wir müssen das gesamte System der Sicherheitsorgane überdenken.« Die Justiz müsse das Recht unterstützen und nicht bekämpfen. Kritiker werfen dem früheren KGB-Offizier ein enges Verhältnis zu den Silowiki vor, wie die Vertreter der Gewaltapparate heißen.
»Internationale Zusammenarbeit ist keine Einbahnstraße«, heißt es in dem Programm. Der 59-Jährige kündigte eine »angemessene Antwort« auf »einseitige Schritte unserer Partner an, die nicht die Meinung Russlands und seine Interessen berücksichtigen«. Er wolle zudem die Modernisierung der von Beobachtern oft als marode kritisierten Streitkräfte weiter vorantreiben. Auch den Kampf gegen die Korruption will Putin verschärfen, der bereits von 2000 bis 2008 Präsident war.
Putin werde sich nicht an TV-Debatten mit anderen Kandidaten beteiligen, kündigte sein Sprecher Dmitri Peskow an. Dazu lasse ihm seine Arbeit keine Zeit. Oppositionspolitiker nannten Putin, der sich noch nie einem Fernsehduell nach westlichem Vorbild mit seinen Gegnern gestellt hat, einen »Feigling«.
Die liberale Partei Jabloko kritisierte, das Programm sorge für Verwirrung und Frustration. »Ich glaube nicht, dass dies umgesetzt wird, weil er gewöhnlich mit Macht regiert«, sagte Jabloko-Chef Sergej Mitrochin.
Der etwa 27 000 Euro teure Internetauftritt wird mit Mitteln aus Putins Wahlfonds finanziert. Seine Unterstützer rechnen mit einem Sieg im ersten Wahlgang. Allerdings gehen immer mehr Beobachter aufgrund sinkender Zustimmungswerte Putins davon aus, dass es zu einer Stichwahl kommt. Bei der Wahl zu »Russlands Politiker 2011« kam Putin auf 38 Prozent, 17 Punkte weniger als im Vorjahr.
Generalstaatsanwalt Juri Tschaika wiederholte unterdessen auch von Putin vorgebrachte Vorwürfe, dass die Teilnehmer der jüngsten Massenkundgebungen vom Ausland bezahlt worden seien. Einige soziale Netzwerke im Internet, über die Proteste organisiert worden waren, seien »extremistisch«, sagte Tschaika der Regierungszeitung »Rossijskaja Gaseta«. Am 24. Dezember hatten in Moskau bis zu 120 000 Menschen gegen Fälschungen bei der Parlamentswahl vom 4. Dezember demonstriert. Am 4. Februar plant die Opposition eine neue Großdemonstration mit mindestens 50 000 Teilnehmern.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa wiederholte Vorwürfe, die Parlamentswahl sei unfair gewesen.
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