Was an der Grünen Woche nicht grün ist

  • Reinhild Benning
  • Lesedauer: 3 Min.
Gastkolumne: Was an der Grünen Woche nicht grün ist

Der Deutsche Bauernverband und sein Präsident Gerd Sonnleitner haben es schwer: Sie müssen auf der »Grünen Woche« für Antibiotika-Produzenten wie BAYER oder Mega-Stall-Investoren wie die Straathof-Holding viel Kritik einstecken. Das Wort »Massentierhaltung« nimmt der Bauernverbandspräsident nicht gern in den Mund, gleichwohl sollen die Verbraucher es mit deren Produkten tun.

Und Investor Straathof, der in Mecklenburg-Vorpommern 10 000 Sauen in einem Riesen-Stall als Gebärmaschinen für 250 000 Ferkel pro Jahr einpferchen will, wirbt für sein Projekt mit Arbeitsplätzen und angeblich gesunden Produktionsbedingungen. Die regionale Tourismus-Branche protestiert, sie schafft im strukturschwachen Norden erfolgreich Arbeitsplätze - noch. Das wird sich ändern, wenn Europas größte Schweinezucht-Anlage künftig dafür sorgt, dass Gäste fernbleiben.

Einige Landwirtschaftsbanken sagen schon voraus, dass der massenhafte Export von Billigfleisch »Made in Germany« keine Zukunft hat. Die Tier- und Umweltschutzverbände hierzulande sind gesellschaftlich zu starke Kräfte. Wie aber konnte es dann dazu kommen, dass Deutschland zu einem der größten Fleischexporteure der Welt wurde?

Ursache ist eine fehlgesteuerte Agrarpolitik, die mit Milliarden-Subventionen für den industriellen Agrarsektor und niedrigen Umwelt- und Tierschutzstandards immer größere Mengen an Lebensmitteln erzeugt. Diese Politik machte aus einer bäuerlich geprägten Landwirtschaft in Deutschland ein »China der Fleischproduktion«.

Und in Mega-Ställen und Schlachthöfen werden oftmals unter extrem schlechten Bedingungen mit Stundenlöhnen von lediglich 3,50 Euro die »Erfolge der Fleischindustrie« erarbeitet. Das kann und darf nicht so bleiben.

Das meiste »Billigfleisch« landet schließlich bei Discountern und Supermärkten. »Das ist aber schön billig«, denken viele, und sie blenden die Schäden der industriellen Tierhaltung aus. Dafür zahlen wir alle, als Steuerzahler und Verbraucher, wenn beispielsweise das Trinkwasser teurer wird, weil die Gülle bereits über 50 Prozent der Grundwasservorkommen verschmutzt.

Jährlich werden bei uns 60 Kilo Fleisch pro Kopf produziert. Mit dem Fleisch gelangen zunehmend antibiotika-resistente Keime in die Küchen, die Hautinfektionen auslösen oder sich im Darm der Verbraucher einnisten können. Sollten die Betroffenen dann wegen einer Erkrankung später Antibiotika benötigen, wirken diese oft nicht mehr. »Billig« kann also sogar Leben kosten.

Der Bauernverband wiegelt ab, das sei doch nichts Neues, was der BUND aufgedeckt habe, Keime gebe es überall und kranke Tiere müssten nun mal mit Antibiotika behandelt werden. Bundesagrarministerin Ilse Aigner weiß es besser, sie kennt die Gesundheitsrisiken und fördert trotzdem die Verursacher mit laschen Arzneimittelgesetzen, Subventionen und niedrigen Tierschutz- und Umweltstandards.

Brüssel wenigstens will neuerdings zaghafte Reformen. Die Bundesregierung jedoch ist noch resistent gegen den notwendigen Richtungswechsel. »Das haben wir satt!« lautet das Motto der heutigen Demonstration im Berliner Regierungsviertel. Viele werden dort sein, Sie auch?

Die Autorin Reinhild Benning ist Leiterin Agrarpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

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