Wutbürger wollen ihre Ruhe haben

LINKE: Dresdener Behörden behandeln Demonstranten wie Kriminelle

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.
Bei einem Podiumsgespräch in Berlin redeten Politiker der LINKEN über den bevorstehenden Naziaufmarsch.

Tausende Neonazis zogen in den letzten Jahren durch Dresden, um die »Bombennächte« für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Ihrer Propaganda zufolge war die Befreiung vom Faschismus nichts weiter als ein blindwütiger »Bombenkrieg«, dem Unschuldige zum Opfer fielen. Im Februar wollen die Neonazis nun ihr alljährlich aufgeführtes Ritual wiederholen.

»Die Dresdener wollen ein stilles Gedenken, sie wollen keine Unruhe, keine Randale. Sie blenden aus, wer den Krieg angefangen hat. Sie wollen gutbürgerlich ihre Ruhe haben«, meint Andre Hahn, der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im sächsischen Landtag, und benennt damit einen Teil des Problems: Gleichgültigkeit.

Auch deshalb konnte die Stadt zu einem Ort werden, an dem sich »über mehr als zehn Jahre der größte Aufmarsch von Nazis in Europa etablieren konnte«, wie Hahn vorgestern in Berlin bei der von der LINKEN veranstalteten Podiumsdiskussion sagte. Zwar seien im vergangenen Jahr 4000 Rechtsradikalen beinahe 20 000 Blockierer gegenübergestanden, doch dürfe man sich keinen Illusionen hingeben: »Die Hälfte der Dresdener ist der Meinung, dass es keine Proteste geben sollte.«

Einig war man sich auf dem Podium darüber, dass die sächsische Justiz in den letzten zwei Jahren alles Denkbare getan hat, um antifaschistische Gegendemonstranten als Kriminelle erscheinen zu lassen. Das Bündnis »Dresden nazifrei«, das letztes Jahr mit einer Blockade versuchte, den Naziaufmarsch zu verhindern, ist enormen Repressionen ausgesetzt: Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, Telefonüberwachung in großem Stil. Allein vier Landtagspolitiker der LINKEN wurden, wie Hahn betonte, im Jahr 2010 »als Rädelsführer vor Gericht gestellt«, Hahn selbst wurde die Immunität aberkannt.

Hinzu kommt eine höchst eigenwillig arbeitende Justiz. Der als Redner eingeladene Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, der den Pfarrer Lothar König vertritt, sprach von der Manipulation von Beweismitteln, fragwürdigen Zeugen und frei erfundenen Vorwürfen. Sein Mandant werde etwa als »blutrünstiger Landfriedensbrecher« dargestellt, was mit der Wirklichkeit nichts zu tun habe. Auch die aus Bayern stammende Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke (LINKE) übte Kritik an der Justiz: »Die sächsischen Verhältnisse sind schlimmer als die, die ich aus Bayern kannte.«

Eisenberg wies nach, dass die Dresdener Ermittlungsbehörden den juristischen Begriff der »Groben Störung« einer Versammlung verwenden, um Gegendemonstranten zu kriminalisieren: »Der Begriff stammt aus einer ethischen Vorstellungswelt, die noch von Nazi-Juristen geprägt war.« Es werde so getan, »als ob jede Störung eine Straftat darstellt«. Dabei müsse auch das Recht des Gegendemonstranten gewährleistet sein. »Warum muss der Staat den Nazis den Weg freiknüppeln?« Mit einer kritischen Berichterstattung sei auch künftig nicht zu rechnen. »Der MDR wird von vielen nur noch als Staatsfernsehen bezeichnet«, meinte Hahn.

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